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Eine Lady verschwindet

Eine Lady verschwindet

Titel: Eine Lady verschwindet
Autoren: Carter Brown
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mit
einem Anflug altväterischer Höflichkeit, hob die Tasche auf und reichte sie
ihr. »Danke sehr«, sagte sie mit derselben Höflichkeit, bevor sie den Riemen
ergriff und mit bösartigem Schwung ausholte.
    Ich erinnerte mich an das erstemal und wollte mich ducken, aber zu spät. Die Tasche
flog mit betäubender Gewalt gegen meine Schläfe, und ich taumelte wie ein
Betrunkener zur Seite.
    »Plötzlich fühle ich mich viel
besser«, sagte das dunkelhaarige Mädchen munter. »Gehen wir jetzt ?«
     
     
     

3
     
    Vom Ozean herüber wehte eine
kühle Brise und zerzauste das Haar des Mädchens, als es sich neben mich ins Kabriolett
setzte. Die schlangengleichen Windungen der Autostraße 1 regten nicht gerade zu
einer geistreichen Unterhaltung an; und so konzentrierte ich mich auf das
Fahren.
    »Ich kann Amerikaner nicht
ausstehen«, sagte Daphne Woodrow plötzlich.
    »In diesem Punkt hätten Sie
mich glatt täuschen können«, knurrte ich. »Mein Kopf schmerzt noch von dem
Schlag, den Sie mir mit Ihrer verdammten Tasche verpaßt haben.«
    »Und wie, glauben Sie, geht es
mir«, sagte sie eisig, »nachdem Sie mich absichtlich aus diesem Sessel gekippt
haben? Ich habe von Kopf bis Fuß blaue Flecken.«
    »Meinen Sie, Sie könnten jetzt
riskieren, mir zu sagen, wohin wir fahren?« brummte ich. »Oder soll ich mich
erst wieder erkundigen, wenn wir uns San Francisco nähern?«
    »Fahren Sie nur weiter«, sagte
sie. »Es handelt sich lediglich um lumpige dreißig Kilometer.«
    »Kennen Sie einen Mann namens
Gregory O’Neil ?«
    »Nein. Sollte ich ihn kennen?«
    »Vermutlich nicht«, sagte ich.
    Das ließ die Unterhaltung für
die nächsten dreiundzwanzig Kilometer einschlafen. Dann wies sie mich an, in
die nächste Querstraße rechts einzubiegen. Es handelte sich um einen schmalen, ungeteerten Fahrweg, der aussah, als schlängle er sich den
fast senkrechten Hang eines Berges empor. Nach ungefähr fünfzig Metern warf ich
einen Blick in den Rückspiegel und stellte fest, daß die schwarze Limousine,
die uns getreulich von Los Angeles aus gefolgt war, ebenfalls eingebogen war.
    »Wie weit ist es noch?« fragte
ich, als die Vorderräder meines Wagens in eine ausgefahrene Rinne gerieten, so
daß die Federn nervös knackten.
    »Ich weiß es nicht genau«,
gestand sie. »Anna sagte, es ginge da kurz unterhalb des Berggipfels eine
andere Straße nach links ab. Dort hat sie eine Hütte gemietet.«
    »Ist sie Naturliebhaberin?«
erkundigte ich mich.
    »Ich halte das für sehr klug
von ihr«, sagte sie mit äußerst überlegener englischer Stimme. »Wer kommt schon
auf die Idee, sie könne sich so in der Nähe von zu Hause aufhalten?«
    Ich biß die Zähne zusammen.
»Wessen Zuhause?«
    »Wußten Sie nicht, daß Eagle’s Rock nur ein paar Kilometer von hier entfernt ist?
Ich dachte, das wüßte jeder!«
    Wir gelangten ein paar
Augenblicke, bevor es so aussah, als kippten wir oben über den Berggipfel
hinab, auf die zweite ungeteerte Straße. Nach
anderthalb Kilometern entsetzlichen Holperns und Hüpfens kamen endlich einige
Hütten in Sicht. Wenn der Besitzer daran gedacht hatte, dadurch ein Vermögen
aus ihnen herauszuholen, daß er sie den Sommer über vermietete, so schien er
das falsche Jahr erwischt zu haben. Es waren insgesamt sechs Hütten, die alle
aussahen, als warteten sie darauf, eine Funktion in einer Neuverfilmung von Tobacco
Road zu übernehmen.
    Ich hielt an und blickte auf
meine Begleiterin. »Vermutlich hat sie Ihnen auch nicht gesagt, in welcher
Hütte sie wohnt?«
    »Nein.« Sie öffnete die Wagentür.
»Aber das müßte eigentlich ganz leicht herauszufinden sein.«
    »Klar!« sagte ich. »Rufen Sie
irgendein italienisches Schimpfwort und warten Sie ab, wer reagiert.«
    Die schwarze Limousine war im
Rückspiegel nicht mehr aufgetaucht, aber inzwischen hätte sie eigentlich da
sein müssen. Vielleicht hatte es sich bei dem Ganzen um einen reinen Zufall
gehandelt, und der Fahrer wohnte oben auf dem Berggipfel? Oder ließ sich der
Fahrer jetzt, da er wußte, wo wir waren, einfach Zeit? Zum Teufel damit! dachte
ich. Im Augenblick war ich nichts weiter als ein Spielzeug der Vorsehung,
hilflos gefangen in einem feinen Spinnennetz, und konnte lediglich abwarten,
worauf der wankelmütige Finger des Schicksals als nächstes deuten würde. Also
stieg ich aus und trat zu Daphne Woodrow, die am Rand der ungeteerten Straße stand.
    »Meine Intuition sagt mir, daß
während dieses Jahrhunderts noch niemand hier in der Nähe
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