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Eine kurze Geschichte von fast allem

Eine kurze Geschichte von fast allem

Titel: Eine kurze Geschichte von fast allem
Autoren: Bill Bryson
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lateinischen Wort für einen Kessel). Der Yellowstone-Vulkan musste zu diesem zweiten Typ gehören, aber eine Caldera fand Christiansen nirgendwo.
    Zur gleichen Zeit wollte die NASA gerade einige neue Kameras für Aufnahmen aus großer Höhe testen, und dabei wurden auch Bilder des Yellowstone-Gebiets gemacht. Ein hilfsbereiter Beamter gab Kopien an die Parkbehörde weiter in der Annahme, sie könnten zu einem neuen Schmuckstück für eines der Besucherzentren werden. Als Christiansen die Fotos sah, wusste er sofort, warum er die Caldera nicht ausfindig gemacht hatte: Praktisch der gesamte Park, eine Fläche von fast 9000 Quadratkilometern, gehörte dazu. Der Ausbruch hatte einen Krater von fast 70 Kilometern Durchmesser hinterlassen, und deshalb war die Senke viel zu groß, als dass ein bodengebundener Beobachter sie bemerken konnte. Irgendwann in der Vergangenheit muss der Yellowstone-Vulkan mit einer Gewalt ausgebrochen sein, die alle menschlichen Maßstäbe bei weitem überstieg.
    Heute wissen wir, dass Yellowstone ein Supervulkan ist. Er liegt über einem riesigen Magmaherd, einem Reservoir mit geschmolzenem Gestein, das aus einer Tiefe von mindestens 200 Kilometern aufsteigt. Seine Wärme liefert die Energie für die vielen Schlote, Geysire, heißen Quellen und kochenden Schlammtümpel im Yellowstone-Nationalpark. Die unterirdische Magmakammer hat einen Durchmesser von rund 73 Kilometern – damit ist sie ungefähr ebenso groß wie der Park –, und an der dicksten Stelle ist sie 14 Kilometer hoch. Man stelle sich einen Stapel TNT von der eineinhalbfachen Größe des Saarlandes vor, der 14 Kilometer hoch in den Himmel ragt und dort die höchsten Federwolken berührt, dann hat man eine Ahnung davon, über was für einem Gebilde die Besucher des Yellowstone-Parks herumspazieren. Durch den Druck, den dieser Magmavorrat auf die Erdkruste ausübt, liegen die Yellowstone-Region und ein Gebiet in 500 Kilometern Umkreis um etwa 500 Meter höher, als es sonst der Fall wäre. Welche Katastrophe ein Ausbruch hervorrufen würde, kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Professor Bill McGuire vom Londoner University College meint: »Bei einer Eruption käme man nicht näher als 1000 Kilometer heran.« 2 Und die Folgen wären noch in einem weitaus größeren Umkreis zu spüren.
    Riesige Magmaherde wie der, über dem die Yellowstone-Region liegt, ähneln ein wenig einem Martiniglas: Sie sind unten schmal, werden zur Oberfläche hin breiter und bilden ein gewaltiges Gefäß voll instabilen Magmas. Ein solches Reservoir kann einen Durchmesser von bis zu 2000 Kilometern haben. Verschiedenen Theorien zufolge muss es nicht unbedingt mit einer Explosion ausbrechen, sondern es kann auch platzen und sich in einem großen, ununterbrochenen Strom aus geschmolzenem Gestein entladen. Auf diese Weise entstanden beispielsweise vor 65 Millionen Jahren die Deccan Traps in Indien. (Traps kommt in diesem Zusammenhang von einem schwedischen Wort für einen bestimmten Lavatyp; Deccan ist einfach der Name der Region.) Sie bedeckten ein Gebiet von über 500000 Quadratkilometern und trugen durch das ausströmende, giftige Gas vermutlich zum Aussterben der Dinosaurier bei – oder zumindest verlangsamten sie es nicht gerade. Ähnliche Magmaherde dürften auch die Grabenbrüche erzeugen, die dann zum Auseinanderbrechen der Kontinente führen. Solche Herde sind durchaus nicht selten. Derzeit gibt es auf der Erde etwa 30 aktive derartige Stellen, und sie haben viele der bekanntesten Inseln und Inselgruppen hervorgebracht – Island, Hawaii, die Azoren, die Kanarischen und die Galapagos-Inseln, das kleine Pitcairn mitten im Südpazifik und viele andere –, aber mit Ausnahme des Yellowstone-Gebiets liegen sie alle unter dem Ozean. Niemand hat auch nur die geringste Ahnung, warum dieser eine unter einer kontinentalen Platte zu liegen kam. Sicher ist nur zweierlei: Die Erdkruste ist im Yellowstone-Gebiet besonders dünn, und die Bereiche darunter sind sehr heiß. Aber ob die Kruste wegen der heißen Stelle so dünn ist, oder ob die heiße Stelle sich dort befindet, weil die Kruste dünn ist, wird hitzig (wie passend!) diskutiert. Die Tatsache, dass es sich um eine kontinentale Kruste handelt, spielt für die Ausbrüche eine große Rolle. Während die anderen Supervulkane meist stetig blubbern und relativ gutartig sind, neigt der in der Yellowstone-Region zu explosiven Ausbrüchen. Sie ereignen sich nicht oft, aber wenn es geschieht, sollte man sich
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