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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Autoren: Yuval Noah Harari
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von Jahren zurückreichen. Rassisten würden es sicher gern hören, dass Indonesier einmalige floresiensis -Gene mitbringen und Chinesen klar unterscheidbare erectus -Gene.
    Da die Beweislage unklar ist, neigt die Expertenmeinung mit jeder neuen Entdeckung und jedem neuen Experiment mal zu der einen und mal zu der anderen Hypothese. Ein entscheidender Zankapfel ist der Neandertaler. Diese Menschen waren größer, muskulöser und besser an die Lebensbedingungen in kalten Klimazonen angepasst als wir, und sie hatten außerdem ein mindestens ebenso großes Gehirn. Sie benutzten Werkzeuge und Feuer, waren ausgezeichnete Jäger, und es gibt Hinweise, dass sie ihre Toten bestatteten und sich um Kranke und Schwache kümmerten. Archäologen haben Knochen von Neandertalern gefunden, die jahrelang mit schweren körperlichen Behinderungen überlebten, was darauf schließen lässt, dass sie von den Angehörigen ihrer Gruppe versorgt worden sein müssen. Doch als der Homo sapiens in ihren Lebensraum vordrang, wichen sie zurück und verschwanden schließlich ganz. Die letzten Neandertaler, von denen wir Kenntnis haben (weil wir ihre Knochen gefunden haben), lebten vor 30000 Jahren in Südspanien – aus Sicht der Evolution ist das so, als wäre das noch gestern Abend gewesen.

    3. Spekulative Rekonstruktion eines Neandertalerkindes. Genanalysen lassen darauf schließen, dass zumindest ein Teil der Neandertaler hellhäutig gewesen sein könnte.
    Nach der Vermischungshypothese kreuzten sich Sapiens 2 und Neandertaler, bis die beiden Arten ineinander aufgingen. Sollten die Vertreter dieser Theorie Recht haben, verschwand der Neandertaler also nicht – vielmehr tragen die heutigen Europäer und Asiaten den Neandertaler in sich. Vertreter der Verdrängungshypothese widersprechen dem jedoch. Ihrer Ansicht nach unterschieden sich Sapiens und Neandertaler nicht nur hinsichtlich ihres Körperbaus, sondern auch hinsichtlich ihres Paarungsverhaltens und ihres Körpergeruchs. Daher hätten sie vermutlich kaum Gefallen aneinander gefunden. Selbst wenn ein Neandertaler-Romeo und eine Sapiens-Julia sich unsterblich ineinander verliebt hätten, oder wenn ein Sapiens-Pascha sich einen Harem von Neandertaler-Frauen gehalten hätte, dann wären ihre Kinder vermutlich unfruchtbar gewesen. Vielmehr hätten die beiden Arten nebeneinander gelebt, und als die Neandertaler ausstarben oder ausgerottet wurden, verschwanden ihre Gene mit ihnen.
    In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Forschung von der Verdrängungshypothese beherrscht. Sie schien durch archäologische Beweise untermauert zu werden und vor allem war sie politisch korrekt (die Wissenschaftler hatten kein Interesse daran, ein rassistisches Fass aufzumachen und von großen genetischen Unterschieden unter den modernen Menschen zu sprechen). Das änderte sich jedoch im Jahr 2010, als nach vierjähriger Arbeit Teile des Neandertalergenoms entschlüsselt worden waren. Genforscher hatten ausreichende Mengen von intaktem Erbgut aus den Fossilien von Neandertalern gesammelt, um einen Vergleich zwischen modernen Menschen und ihren stämmigen Vorläufern anstellen zu können. Die Ergebnisse verblüfften die Fachwelt: Es stellte sich heraus, dass 4 Prozent aller Gene der modernen Menschen in Europa und dem Nahen Osten von Neandertalern stammen. So bescheiden das klingen mag, ist es gar nicht wenig. Eine zweite Überraschung folgte einige Monate später, als sich herausstellte, dass der Besitzer des versteinerten Fingers aus der Denissowa-Höhle sogar 6 Prozent seines Erbguts mit den Genen der heutigen Ureinwohner von Melanesien und Australien gemeinsam hatte.
    Aber wie könnte die biologische Beziehung zwischen Sapiens, Neandertalern und Denissowern ausgesehen haben? Offenbar waren es keine grundsätzlich verschiedenen Arten, wie zum Beispiel Pferde und Esel. Aber es handelte sich auch nicht einfach um verschiedene Unterarten derselben Art, wie Doggen und Cockerspaniel. Die biologische Wirklichkeit ist selten so eindeutig. Zwei Arten, die aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgehen, wie Pferde und Esel, waren irgendwann einmal einfach Varianten, wie Doggen und Cockerspaniel. Im Laufe der Evolution wurden die Unterschiede immer größer, bis die beiden getrennte Wege gingen. Es muss einen Punkt gegeben haben, an dem sich die Arten zwar schon deutlich unterschieden, aber hin und wieder noch zeugungsfähige Nachkommen hervorbringen konnten. Zwei oder drei Genmutationen später wurde die Verbindung dann
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