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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte
Autoren: Jojo Moyes
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Befriedigung, dass ihr zwar etliche fremd waren, sie jedoch viele Handlungen noch im Kopf hatte.
    Am längsten hielt sie sich in ihrem Schlafzimmer auf. Mrs Cordoza hatte ihren Koffer ausgepackt und alles fortgeräumt. Zwei Einbauschränke enthielten eine große Anzahl makellos eingelagerter Kleidung. Alles passte ihr perfekt, selbst die abgetragensten Schuhe. Ihre Haarbürste, Parfüms und Puder standen aufgereiht auf einer Frisierkommode. Die Düfte waren ihrer Haut angenehm vertraut. Die Farben der Kosmetika passten zu ihr: Coty, Chanel, Elizabeth Arden, Dorothy Gray – ihr Spiegel war umgeben von einem kleinen Bataillon kostspieliger Cremes und Salben.
    Sie zog eine Schublade auf, hielt Schichten aus Chiffon hoch, Büstenhalter und andere Miederware aus Seide und Spitze. Ich bin eine Frau, die auf ihr Äußeres Wert legt, stellte sie fest. Sie setzte sich, starrte sich im dreiteiligen Spiegel an und begann, sich die Haare in langen, gleichmäßigen Strichen auszubürsten. So etwas mache ich, sagte sie sich mehrmals.
    In den wenigen Augenblicken, in denen sie von Fremdheit überwältigt wurde, beschäftigte sie sich mit kleinen Aufgaben: Sie ordnete die Handtücher in der Toilette unten neu, holte Teller und Gläser heraus.
    Er kam kurz vor sieben wieder zurück. Sie wartete in der Diele auf ihn, ihr Make-up aufgefrischt und Nacken und Schultern mit einem leichten Duft eingesprüht. Sie sah ihm an, dass es ihm gefiel, dieser Anschein von Normalität. Sie nahm ihm den Mantel ab, hängte ihn an die Garderobe und fragte, ob er etwas trinken wolle.
    »Das wäre wunderbar. Danke«, sagte er.
    Sie zögerte, eine Hand an eine Karaffe gelegt.
    Er drehte sich um und bemerkte ihre Unentschlossenheit. »Ja, das ist es, Liebling. Whisky. Zwei Fingerbreit, mit Eis. Danke.«
    Beim Abendessen saß er rechts von ihr an dem riesigen, polierten Mahagonitisch, der zum großen Teil leer und ungedeckt war. Sie schöpfte das dampfende Essen auf Teller, und er stellte sie an die Plätze. Das ist mein Leben, dachte sie plötzlich, während sie seine Handbewegungen beobachtete. Das machen wir an den Abenden.
    »Ich dachte, wir könnten Freitag die Moncrieffs zum Essen einladen. Hast du Lust?«
    Sie nahm einen kleinen Happen von ihrer Gabel. »Ich glaube schon.«
    »Gut.« Er nickte. »Unsere Freunde haben immer wieder nach dir gefragt. Sie möchten gern sehen, dass du … wieder ganz die Alte bist.«
    Sie brachte ein Lächeln zustande. »Das wird … nett werden.«
    »Ich dachte, wir unternehmen ein, zwei Wochen nicht zu viel. Erst, wenn dir danach ist.«
    »Ja.«
    »Das hier schmeckt sehr gut. Hast du es gekocht?«
    »Nein. Mrs Cordoza.«
    »Aha.«
    Schweigend aßen sie weiter. Sie trank Wasser – Mr Hargreaves hatte von stärkeren Getränken abgeraten –, aber sie beneidete ihren Mann um das vor ihm stehende Glas. Sie hätte die beunruhigende Fremdheit gern verschleiert, nur um ihr die Schärfe zu nehmen.
    »Und wie läuft es in … deinem Büro?«
    Er hatte den Kopf gesenkt. »Ganz gut. In den nächsten beiden Wochen muss ich die Bergwerke besuchen, aber ich möchte sichergehen, dass du zurechtkommst, bevor ich fahre. Du hast natürlich Mrs Cordoza, die dir hilft.«
    Der Gedanke, allein zu sein, erleichterte sie ein wenig. »Ich bin mir sicher, dass ich es schaffe.«
    »Und danach dachte ich, könnten wir für zwei Wochen an die Riviera fahren. Ich habe dort geschäftlich zu tun, und die Sonne tut dir vielleicht gut. Mr Hargreaves meinte, sie könnte deinen … den Narben …« Er verstummte.
    »Die Riviera«, wiederholte sie. Plötzlich die Vision einer Küste im Mondschein. Gelächter. Gläser klirren. Sie schloss die Augen und brachte all ihre Willenskraft auf, um das flüchtige Bild deutlicher zu erkennen.
    »Ich dachte, wir fahren diesmal mit dem Wagen hin, nur wir beide.«
    Das Bild war verschwunden. Sie vernahm ihren Pulsschlag in den Ohren. Bleib ruhig, sagte sie sich. Alles kommt wieder. Mr Hargreaves hat es gesagt.
    »Du warst dort anscheinend immer glücklich. Vielleicht ein wenig glücklicher als hier in London.« Er schaute zu ihr auf und wandte dann den Blick ab.
    Da war wieder das Gefühl, dass sie geprüft wurde. Sie zwang sich, zu kauen und zu schlucken. »Wie du meinst.«
    Schweigen legte sich über den Raum, bis auf das langsame Kratzen seines Bestecks auf dem Teller, ein erdrückendes Geräusch. Ihr Essen erschien ihr mit einem Mal unüberwindlich. »Ich bin doch müder, als ich dachte. Würde es dir sehr viel
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