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Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche
Autoren: Jefferson Bass
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einen glühenden Haufen Grillkohle auseinander. Seine Hände waren rußverschmiert, und sein Gesicht glänzte vor Schweiß.
    »Freut mich, dass du nicht zum Verräter geworden bist und auf Gasgrill umgestellt hast«, sagte ich.
    »Nie im Leben«, sagte er. »Du hast mich gut erzogen, und ich habe bei den Nachbarn schon zu viele fade Burger gegessen.«
    »Du weißt natürlich, dass es die Karzinogene sind, die für den guten rauchigen Geschmack sorgen«, sagte ich.
    »Eigentlich«, meinte er, »nicht unbedingt. Anscheinend hat irgendein Forscher an der John-Hopkins-Universität genau darüber eine Studie durchgeführt. Die Karzinogene bilden sich, wenn man das Feuer aufflammen lässt – aus irgendeinem Grund führt diese bestimmte Temperatur zu einer chemischen Reaktion, bei der Karzinogene entstehen. Man sollte das Fleisch halt nicht über offener Flamme garen – nur auf heißen Kohlen. Solange man den Deckel schließt, damit der Rauch drinbleibt und das Feuer kleinhält, ist alles im grünen Bereich.«
    »Jetzt, wo ich das weiß, mein Sohn, werde ich besser schlafen können.«
    Jenny kam mit einem Teller mit Burgern aus der Hintertür. »Hey, Bill«, sagte sie. Es gefiel mir, dass sie mich »Bill« nannte und nicht »Dad« oder womöglich gar »Schwiegervater«; so konnten wir uns auf Augenhöhe begegnen. »Schön, dich zu sehen.«
    »Es freut mich auch, dich zu sehen«, sagte ich. Ich bemerkte, dass die Jungen durch das Glas der äußeren Windfangtür schielten. Tyler war sieben und Walker fünf. Beide trugen die Baseballtrikots, die sie den ganzen Sommer nicht auszuziehen schienen.
    Jenny folgte meinem Blick. »Kommt raus, Jungs, und sagt Grandpa Bill Hallo«, rief sie ein wenig zu munter.
    Sie gehorchten, allerdings ein wenig zögerlich, und dieses Zögern brach mir fast das Herz. Es hatte ihnen Angst eingejagt und sie verwirrt, als ich des Mordes an Jess Carter angeklagt worden war. Ihre Freunde hatten grausame Dinge über ihren Opa, den Mörder, zu ihnen gesagt, wie Kinder halt so sind. Ihre Eltern konnten ihnen da noch so viel erklären, es konnte trotzdem Jahre dauern, bis die Offenheit und das Vertrauen, das meine Enkel einst in mich gehabt hatten, wieder da waren. Bis dahin waren sie natürlich nicht mehr fünf und sieben.
    Jenny stellte die Burger auf der Veranda auf den Tisch und kam zu mir, um mich zu umarmen und mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Die warme Begrüßung galt zum Teil mir, zum Teil aber auch den Jungs – eine Botschaft an sie, dass ich immer noch ihr Großvater war und es sicher war, mich zu lieben.
    Jenny schaute mir forschend in die Augen, und das war, wie ich wusste, nur für die Erwachsenen gedacht. »Wie geht es dir?«, fragte sie.
    »Ich komme zurecht«, sagte ich. »Die meiste Zeit.«
    »Ich denke dauernd an dich«, sagte sie. »Ich würde sonst was darum geben, wenn ich ungeschehen machen könnte, was im letzten Frühling schiefgelaufen ist.«
    »Ich auch«, sagte ich. »Manchmal bin ich einsamer als in der Zeit vor Jess. Vielleicht fällt es mir jetzt auch nur mehr auf. Nächste Woche fängt der Prozess an, das wird vermutlich ganz schön hart. Aber vielleicht kann ich, wenn das erst einmal vorbei ist, die Sache abschließen. Ich möchte, dass er verurteilt wird. Und ich möchte, dass das Urteil hart ausfällt.«
    »Willst du, dass wir dabei sind, wenn du aussagst?«
    Ich traute meiner Stimme nicht, also nickte ich nur.
    »Dann kommen wir«, sagte sie. »Sag uns nur, wann, und wir sind da. Und wenn du sonst noch etwas brauchst, rufst du Jeff oder mich an, ja?«
    Ich nickte noch einmal.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«

5
    »Dr. Brockton? Hier spricht Lynette Wilkins vom regionalen rechtsmedizinischen Institut.«
    Lynette musste mir nicht sagen, wer sie war und wo sie arbeitete; ich hatte ihre Stimme tausendmal und öfter gehört – jedes Mal, wenn ich die Telefonnummer des Leichenschauhauses wählte oder dort vorbeischaute. Das regionale rechtsmedizinische Institut und das Büro des Medical Examiners von Knox County teilten sich einen Flur im Leichenschauhaus des Universitätskrankenhauses, das auf der anderen Seite des Flusses flussabwärts vom Stadion lag. Es gab dort auch einen maßgeschneiderten Fäulnisraum – komplett mit Mazerationskesseln und extragroßem Müllzerkleinerer –, wo meine Doktoranden und ich die letzten Gewebereste von Skeletten entfernen konnten, nachdem diese von den Insekten auf der Body Farm relativ sauber abgenagt worden waren. Von
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