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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Autoren: Neil MacGregor
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wissenschaftlicher Methoden nimmt das, was wir über diese Dinge wissen, stetig zu. Die Mumie des Hornedjitef befindet sich in einem massiven schwarzen Außensarkophag, der die Form eines menschlichen Körpers hat, sowie einem reich verzierten inneren Sarg, und die Mumie selbst ist sorgfältig einbalsamiert und mit Amuletten und Talismanen umwickelt. Alles, was wir über Hornedjitef wissen, wissen wir von diesen Objekten. In gewissem Sinne ist er sein eigenes Dokument, und zwar eines, das noch immer Geheimnisse preisgibt.
    Hornedjitef kam 1835 ins Museum, gut zehn Jahre nachdem die Mumie ausgegraben worden war. Die Hieroglyphenschrift der Ägypter war gerade entschlüsselt worden, und deshalb ging es zunächst einmal darum, all die Inschriften auf seinen Sarkophagen zu entziffern. Sie verrieten uns, wer er war, welche Tätigkeit er verrichtete, und auch so manches über seine religiösen Überzeugungen. Wir kennen seinen Namen, weil er sich auf dem inneren Sarkophag findet, ebenso wie die Tatsache, dass er zur Zeit von Ptolemäus III. Priester im Tempel des Amun in Karnak war – also zwischen 246 und 222 v. Chr.
    Der innere Sarg zeigt ein Gesicht aus Feingold – was auf den göttlichen Status schließen lässt, denn der Leib ägyptischer Götter war angeblich aus Gold. Unterhalb des Gesichts findet sich eine Darstellung des Sonnengottes als Skarabäus mit ausgebreiteten Flügeln, Symbol des instinktiven Lebens, flankiert von Pavianen, die der aufgehenden Sonne huldigen. Wie alle Ägypter glaubte auch Hornedjitef, dass er über den Tod hinaus fortleben werde, wenn man seinen Leichnam konservierte, doch bevor er im Jenseits ankam, würde er eine gefährliche Reise absolvieren müssen, die eine äußerst sorgfältige Vorbereitung erforderte. Also rüstete er sich mit Schmeicheleien und Zaubersprüchen für jede Eventualität. Die Unterseite des Sarkophagdeckels ist mit solchen Zaubersprüchen, mit Darstellungen von Göttern, die als Beschützer fungieren, und mit Sternenbildern verziert. Sie symbolisieren den Himmelsraum, der sich über ihm erstreckt, und machen die gesamte Innenseite des Sarkophags quasi zu einem Kosmos
en miniature
: Hornedjitef hat seine persönlicheSternenkarte und Zeitmaschine in Auftrag gegeben. Paradoxerweise ermöglicht es uns gerade seine akribische Vorbereitung auf die Zukunft, heute in die entgegengesetzte Richtung zu reisen, zurück zu ihm und in seine Zeit. Und neben den zahlreichen Inschriften können wir heute allmählich auch das Ding selbst entschlüsseln – die Mumie, ihr Behältnis sowie die Objekte, die es enthält.
    Deckelinnenseite von Hornedjitefs innerem Sarkophag.
    Die in Leinen gewickelte Mumie, teilweise bedeckt von ihrem Behältnis.
    Dank wissenschaftlicher Fortschritte wissen wir heute deutlich mehr über Hornedjitef als noch 1835. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren entwickelte man ganz neue Methoden, um Objekten Informationen zu entlocken, ohne sie dabei zu beschädigen oder gar zu zerstören. Mittels fortgeschrittener wissenschaftlicher Verfahren können wir heute viele Wissenslücken füllen, über die wir in den Inschriften nichts erfahren – wie das Alltagsleben im Detail aussah, wie alt die Menschen waren, was sie aßen, in welchem gesundheitlichen Zustand sie waren, wie sie starben und auch wie sie mumifiziert wurden. So konnten wir beispielsweise bis vor kurzem nicht untersuchen, was sich hinter den Leinenbindender Mumie verbarg, denn sie auszuwickeln hätte die Tücher und den Leichnam gefährdet. Heute jedoch sind wir in der Lage, mittels Computertomographie, wie sie bei lebenden Menschen zum Einsatz kommt, hinter die Leinenbinden zu schauen und die eingewickelten Objekte sowie den Leichnam zu untersuchen.
    John Taylor, Kurator unserer Abteilung für das alte Ägypten und den Sudan, untersucht seit über zwei Jahrzehnten die Mumien des Britischen Museums, und in den letzten Jahren hat er ein paar von ihnen in Londoner Krankenhäuser gebracht, um sie dort durchleuchten zu lassen. Diese Verfahren, die keinerlei Eingriff erfordern und keine Zerstörungen anrichten, haben bedeutsame Erkenntnisse geliefert:
    «Wir können heute sagen, dass Hornedjitef mittleren Alters oder älter war, als er starb, und dass er nach den besten Methoden mumifiziert wurde, die es zu seiner Zeit gab. Wir wissen, dass seine inneren Organe entnommen, sorgfältig verpackt und dann wieder in seinen Körper zurückgelegt wurden; wir können sie dort, tief drinnen, erkennen. Wir
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