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Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja

Titel: Eine Frage der Schuld - Mit der Kurzen Autobiographie der Graefin S A Tolstaja
Autoren: Sofja Tolstaja Ursula Keller Alfred Frank Ursula Keller
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Tolstaja jedoch nicht. Obwohl es Ende des neunzehnten Jahrhunderts mit Anna Bunina (1774-1829), Sinaida Wolkonskaja (1789-1862) und Karolina Pawlowa (1807-1893) auch in Rußland bereits weibliche Vorbilder gab, die den Beruf der Schriftstellerin ergriffen hatten, stellte Tolstaja sich selbst und ihr Werk ein weiteres Mal hinter das ihres Mannes zurück und ließ ihre Erzählung unveröffentlicht.
    Erst hundert Jahre nach der Niederschrift erstmals auf russisch publiziert, wurde Tolstajas Gegenentwurf zur Kreutzersonate bis heute kaum gebührend gewürdigt. Als eine der ersten Schriftstellerinnen
Rußlands wagte sich Tolstaja in ihrem Text an das Tabuthema der Sexualität. Möglicherweise ist dies einer der Gründe für die späte Veröffentlichung. Vielleicht aber sollte auch dem großen Schriftsteller Lew Tolstoi die Gegenstimme seiner Frau nicht zugemutet werden, paßt sie doch nicht ins biographische Konzept. Noch zu Lebzeiten Tolstois hatte die Legendenbildung um seine Biographie eingesetzt, die Sofja Tolstaja nicht schonte. Aus der biographischen Literatur kennt man sie als«hysterisches Frauenzimmer», als«Frau, die aus den Zügeln gesprungen ist», die durch ihre Halsstarrigkeit, Nörgelei und Uneinsichtigkeit den genialen Schriftsteller Leo Tolstoi achtzigjährig nötigte, das Landgut der Familie zu verlassen, und ihn damit in den Tod trieb.
    Bis heute hat kaum jemand unvoreingenommen auf die Biographie der Schriftstellergattin geblickt. Es ist fast vergessen, daß Sofja Tolstaja selbst künstlerisch begabt war. Sie schrieb und übersetzte, beschäftigte sich mit Malerei und Musik, ihre Fotografien wurden von vielen Seiten hoch gelobt. Tolstajas biographische Arbeiten über Tolstoi und ihre autobiographischen Schriften werden gelesen und zitiert, um das Leben ihres berühmten Mannes zu beleuchten.
Nach der Motivation ihrer Handlungen und ihrer eigenen Persönlichkeit wurde bislang kaum je gefragt. Eine Frage der Schuld , ihre Entgegnung auf Die Kreutzersonate , läßt ihre Gefühle und Positionen und ihren Lebensweg aus einem anderen Blickwinkel begreifen.
    Die«Prosa des Lebens»der Sofja Andrejewna Tolstaja ist freilich nicht nur ein Dokument der Emanzipation Tolstajas von der gewaltigen Übermacht ihres Mannes. Sie habe sich für ein«unterdrücktes literarisches Talent»gehalten, schreibt Viktor Schklowski voller Ironie über Tolstois Ehefrau. Ihre künstlerisch überzeugende Erzählung zeigt indes, daß Herablassung fehl am Platze ist. Mit über hundertjähriger Verspätung zeigt die Veröffentlichung dieses Werkes, daß Tolstaja nicht nur als«wahre Amme des Talents ihres Mannes»ihren Platz in der Literaturgeschichte beanspruchen kann, sondern eine Schriftstellerin eigenen Ranges war, die sehr wohl aus dem Schatten des Ehemannes herauszutreten vermochte.
    Ursula Keller

INHALT
    Eine Frage der Schuld
(Aus dem Russischen übersetzt von
Alfred Frank)
5

    Kurze Autobiographie
der Gräfin Sofja Andrejewna Tolstaja
(Aus dem Russischen übersetzt von
Ursula Keller)
215

    Anmerkungen
287
Nachwort
299

Titel der russischen Ausgaben:
    «Tschja wina? Po powodu ‹Krejzerowoi sonaty›
    Lwa Tolstowo»(1893 /1994)
    «Kratkaja awtobiografija gr. Sofji Andrejewny Tolstoi»
(1913 /1921)
    Copyright © 2008 by Manesse Verlag, Zürich in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

    Diese Buchausgabe der Manesse Bibliothek der Weltliteratur
wurde aus der Berthold Bembo gesetzt
und in Fadenheftung gebunden.
EOS Titan liefert Salzer, St. Pölten.
Alle verwendeten Materialien entsprechen alterungs-
beständiger Qualität, die Papiere sind
chlor- und säurefrei.
    eISBN : 978-3-641-03388-0

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