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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn
Autoren: Y Lee
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ist hier keine Teeparty!«, brüllte er. »He, Junge! Hilf, mich reinziehen, ehe mir die Arme abfallen!«
    Mary packte eines von Keenans Beinen und zog, aber ihr geringes Körpergewicht richtete praktisch nichts aus. Harkness und Keenan wogen zusammen sicher hundertfünfzig Kilo und sie und James waren bedeutend leichter. Es war unmöglich, die beiden ohne Hilfsmittel reinzuziehen. Und es blieb keine Zeit, um Hilfe zu holen.
    Sie sah James an. »Hier oben gibt es alle möglichen Seile. Die könnten wir nehmen.«
    James nickte. Auf seiner Stirn begannen sich Schweißperlen zu bilden. »Gut. Ich sag dir, welche Knoten du machen musst.«
    »Es gibt eine einfachere Lösung, mein Junge«, kam Harkness’ Stimme, die durch die Mauer und durch den Wind gedämpft klang. »Ich hatte zwar gehofft, Keenan mitzureißen, aber das soll wohl nicht sein, wenn Sie ihn halten. Aber sobald er mich loslässt, können Sie ihn ja retten und der Polizei zuführen.«
    Es folgte ein allgemeiner Aufschrei.
    »Er ist verrückt geworden!«
    »Was zum Henker meinen Sie, Harkness?«
    »Was meinen Sie, sobald er loslässt?«
    »Genau, was ich gesagt habe«, erwiderte Harkness mit entnervender Kaltblütigkeit. »Ich gehe davon aus, Easton, dass Sie und der Junge genug von unsererUnterredung gehört haben, um zu wissen, was geschehen ist.«
    James bestätigte das mit einem Grunzen.
    »Mir bleibt keine andere Wahl, mein lieber Junge. Der Tod ist mein einziges Verlangen.«
    »Sie dämlicher Narr!«, knurrte Keenan. »Na gut, dann lass ich los! Gute Reise! Ich hab Zeugen, die sagen, dass Sie sterben wollten.«
    »Nein!«, fuhr James ihn an. »Wenn Sie ihn fallen lassen, Keenan, dann stoße ich Sie höchstpersönlich hinterher. Harkness«, fuhr er fort und versuchte, möglichst sachlich zu klingen, »wir besprechen alles, sobald Sie sicher hier im Turm sind, nicht jetzt. Quinn, hol die Seile.«
    Mary eilte auf die nächstliegende Rolle mit Seilen zu, die vom Aufhängen der Glocke übrig waren. Sie wickelte Keenan das Seil um die Füße, verknotete es und befestigte das andere Ende an eisernen Ringen, die aus der Steinmauer ragten. Und damit fing dann die wahre Schufterei an.
    Sie und James stemmten die Füße gegen den Absatz des zentralen Lüftungsschachts und fingen an zu ziehen. Kaum machten sie den ersten Fortschritt, begann allerdings ein wütendes Gerangel vor der Brüstung.
    »Hilfe!«, schrie Keenan. »Er fällt, er fällt!«
    »Halten Sie ihn!«, kommandierte James. »Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, dann halten Sie ihn.«
    »Er hat mich losgelassen!«
    »Dann halten Sie ihn fester!«
    Sie zogen das Seil in hartumkämpften Schritten ein, immer nur zentimeterweise. Manchmal machten sie eine ganze Minute lang keinen Fortschritt, so groß war die Anstrengung, die zwei schweren, zappelnden Männer hochzuhieven. Es lag an James, dachte Mary, der ein Schweißrinnsal über die Stirn lief. Trotz seiner heldenhaften Anstrengungen ließ seine Kraft allmählich nach. Das hektische Glitzern seiner Augen hatte aufgehört, und obwohl er von den Anstrengungen rötlich angelaufen war, sah er darunter aschfahl aus. Sein Atem kam in kurzen, scharfen Stößen.
    Er fing ihren kritischen Blick auf. »Zieh fester!«
    Sie nickte, obwohl sie schon mit ganzer Kraft zog.
    Unter schmerzvoller Aufbietung aller Kräfte kam Keenans Torso jedoch irgendwie stückchenweise höher über die Brüstung. Er hielt ganz still und war völlig stumm, wartete, hielt Harkness und konzentrierte sich. Schließlich konnte er die Achseln über den Rand der halbhohen Mauer hieven.
    »Schön ruhig!«, keuchte James. Die Erleichterung war seinem erschöpften Gesicht anzusehen. »Wir helfen jetzt, Harkness reinzuziehen.«
    Sie brauchten nur Sekunden, bis sie die Brüstung erreichten. Doch in diesem kurzen Moment warf Keenan mit einer einzigen, herausfordernden Bewegung beide Hände in die Luft. »Da! Das wolltest du doch!«
    Der Schrei, der die Luft durchschnitt, war entsetzlich, schrill genug, um ein geisterhaftes Echo in den Glocken zu verursachen. Mary hatte das Gefühl, alswürde er ihren Schädel spalten. Obwohl es völlig vergebens war, stolperte sie auf die Brüstung zu. Ließ den Blick über die Reihen von Dachziegeln gleiten, über das kunstvolle gotische Maßwerk. Dann reckte sie den Hals und sah hinunter in den gepflasterten Hof. In dem Augenblick versank die Sonne endgültig hinter dem Horizont, und es legte sich eine neue, fast greifbare Dunkelheit über die Stadt und bedeckte den
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