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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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wachsen«, entgegnete Michu. »Da, sehen Sie, wie ich sie säe.«
    Der Verwalter nahm auf dreißig Schritt eine Schlangenblume aufs Korn und schoß sie glatt ab.
    »Haben Sie diese Banditenwaffe, um Ihren Herrn zu beschützen? Er hat sie Ihnen wohl geschenkt?«
    »Er ist extra aus Paris gekommen, um sie mir zu bringen«, antwortete Michu.
    »Allerdings schwatzt man rings im Lande von seiner Reise. Die einen behaupten, er sei in Ungnade und ziehe sich von den Geschäften zurück. Die andern sagen, er wolle hier klar sehen ... Nun ja, warum kommt er denn, ohne ein Wort zu sagen, genau wie der Erste Konsul? Wußten Sie, daß er kam?«
    »Ich stehe mich nicht so gut mit ihm, daß er mir etwas anvertraut.«
    »So haben Sie ihn noch nicht gesehen?«
    »Ich erfuhr seine Ankunft erst, als ich von meinem Rundgang im Walde zurückkam«, entgegnete Michu und lud seine Büchse wieder.
    »Er hat nach Arcis geschickt, um Herrn Grévin zu holen. Sie werden etwas Tribun spielen.«
    Malin war Tribunatsmitglied gewesen.
    »Wenn Sie in der Richtung nach Cinq-Cygne reiten,« sagte der Verwalter, »so nehmen Sie mich mit; ich will dorthin.«
    Violette war zu ängstlich, um einen Mann von Michus Kraft hinter sich aufs Pferd zu nehmen, und ritt fort. Der Judas warf seine Büchse über die Schulter und eilte nach der Allee.
    »Auf wen hat es Michu denn abgesehen?« fragte Martha ihre Mutter.
    »Seit er Herrn Malins Ankunft erfahren hat, ist er recht finster geworden«, entgegnete sie. »Aber es ist feucht, wir wollen ins Haus gehen.«
    Als die beiden Frauen unter dem Kaminmantel saßen, schlug Couraut an.
    »Da kommt mein Mann!« rief Martha.
    In der Tat kam Michu die Treppe herauf; seine Frau ging besorgt zu ihm in ihr Schlafzimmer.
    »Sieh nach, ob niemand da ist«, gebot er Martha mit bewegter Stimme.
    »Niemand«, entgegnete sie. »Marianne ist auf dem Feld mit der Kuh. Und Gaucher ...«
    »Wo ist Gaucher?« fragte er.
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich mißtraue dem kleinen Schlingel. Geh auf den Boden, durchstöbere ihn und suche in den kleinsten Winkeln des Pavillons.«
    Martha ging und suchte. Als sie zurückkam, fand sie Michu kniend und betend.
    »Was hast du denn?« fragte sie erschrocken.
    Der Verwalter faßte seine Frau um die Hüften, zog sie an sich, gab ihr einen Kuß auf die Stirn und antwortete mit bewegter Stimme:
    »Wenn wir uns nicht wiedersehen, so wisse, arme Frau, daß ich dich recht lieb hatte. Befolge Punkt für Punkt meine Anweisungen. Sie stehen in einem Briefe, den ich am Fuß der Lärche dort in der Baumgruppe vergraben habe«, setzte er nach einer Pause hinzu und wies auf einen Baum. »Er steckt in einem Blechrohr. Rühre ihn erst nach meinem Tode an. Kurz, was auch geschehen möge, bedenke, daß mein Arm trotz der Ungerechtigkeit der Menschen der Gerechtigkeit Gottes gedient hat.«
    Martha erbleichte zusehends und ward weiß wie ihr Bettlaken. Sie blickte ihren Mann mit starren, angstvoll aufgerissenen Augen an; sie wollte sprechen, aber das Wort blieb ihr in der Kehle stecken. Michu entwich wie ein Schatten; er hatte Couraut an den Fuß seines Bettes angebunden, und das Tier begann verzweifelt zu heulen. Michus Zorn gegen Marion hatte ernste Gründe gehabt, aber er hatte sich gegen einen Mann gekehrt, der in seinen Augen viel verbrecherischer war, nämlich gegen Malin. Dessen Geheimnisse hatten sich vor den Blicken des Verwalters entschleiert, der mehr als irgendwer in der Lage war, das Benehmen des Staatsrats richtig einzuschätzen. Michus Schwiegervater hatte, politisch gesprochen, das Vertrauen Malins besessen, der durch Grevins Bemühungen zum Vertreter der Aube im Konvent ernannt worden war.
    Vielleicht ist es nicht grundlos, die Umstände zu erzählen, die die Simeuses und die Cinq-Cygnes mit Malin zusammengeführt hatten und die auf dem Schicksal der beiden Zwillinge und des Fräuleins von Cinq-Cygne lasteten, aber noch mehr auf dem Marthas und Michus. In Troyes lag das Hotel Cinq-Cygne dem Hotel Simeuse gegenüber. Als der von ebenso kundigen wie vorsichtigen Händen entfesselte Pöbel das Hotel Simeuse geplündert hatte, wurden der Marquis und die Marquise entdeckt, die des Einverständnisses mit den Feinden beschuldigt waren, und den Nationalgarden überliefert, die sie ins Gefängnis abführten. Da schrie die Menge folgerichtig: »Zu den Cinq-Cygnes!« Sie konnte sich nicht denken, daß die Cinq-Cygnes an dem Verbrechen der Simeuses unbeteiligt waren. Der würdige und mutige Marquis von Simeuse hatte
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