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Ein Tag, zwei Leben (German Edition)

Ein Tag, zwei Leben (German Edition)

Titel: Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
Autoren: Jessica Shirvington
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meiner Stirn und die Übelkeit in meinem Magen, während ich mich wie immer gegen die Kissen lehnte und dafür sorgte, dass nichts anders wäre als sonst, wenn ich morgen Abend zurückkehrte.
    Fast hätte ich es auch geschafft.
    Doch als nur noch Minuten übrig waren, wurde mir auf einmal der Mund verräterisch wässrig. Ich musste ins Badezimmer rennen, um mich zu übergeben, um dann wieder zurück in mein Bett zu eilen, bevor es Mitternacht schlug.
    Das Letzte, was mir durch den Kopf schoss, war vom Wechsel meiner Welten geprägt: Wie konnte das bloß passieren? Wie kommt es, dass mir so etwas nicht schon früher passiert ist?

2 – Wellesley, Freitag
    Ich wusste, dass sich der Wechsel vollzogen hatte.
    In diesem Leben schlief ich, deshalb dauerte es trotz meiner lebhaften Gedanken eine Weile, bis mein Körper aufwachte. Es war ein schreckliches Gefühl, als wäre man unter Drogen, während man sich zwingt, die Augen aufzumachen.
    In dem Moment, als ich hellwach wurde, setzte ich mich im Bett auf und Panik kroch in mir hoch. Ich hätte es besser wissen sollen. Nachdem ich seit achtzehn Jahren diesen Wechsel vollzog, hätte ich keine solche Angst haben dürfen … hatte ich aber. Jedes. Einzelne. Mal. War ich wie gelähmt.
    Ich konzentrierte mich darauf, langsam zu atmen. Meine heile Hand glitt über warme Seidenbettwäsche, bei der nichts darauf hindeutete, dass ich die letzten vierundzwanzig Stunden woanders gewesen war. Nichts und niemand in dieser Welt waren sich dessen bewusst, dass ich sie betrog, dass ich ein anderes Leben lebte. Ohne nachzusehen wusste ich, dass jetzt genau die Uhrzeit war, zu der ich weggegangen war.
    Mitternacht … mein ewiger Feind.
    Ich hatte alles Mögliche unternommen, um es zu beweisen, um die Wahrheit zu dokumentieren. Als ich fünfzehn war, habe ich mich in den Minuten um Mitternacht gefilmt. Das gab nicht einmal einen Blair-Witch- Moment her. In der einen Sekunde war ich da, in der nächsten hatte ich einen verwirrten Gesichtsausdruck. Ich merkte schon, dass ich in diesem Augenblick etwas anderes an mir hatte, aber da war nichts, wodurch man es jemand anderem hätte beweisen können.
    Dann kam die Zeit, in der ich ein paar Sekunden vor Mitternacht ein Streichholz anzündete, um zu sehen, was passieren würde. Das war keine gute Idee. Mein Bett – mit mir darin – wäre fast in Flammen aufgegangen. Ich konnte mich nach dem Wechsel einfach nicht schnell genug zusammenreißen und es ausblasen, bevor die Flamme meine Finger erreichte. Hey – leben und lernen.
    Ich schlüpfte aus dem Bett und machte mich auf den Weg zum Badezimmer, um mir das Gesicht zu waschen. Aber mit noch müden Füßen war mein Urteilsvermögen getrübt und der Tollpatsch-Modus setzte ein. Ich stolperte gegen den Türrahmen und mein schlimmer Arm bekam die volle Wucht des Aufpralls ab.
    Ich erstarrte und erwartete angstvoll den schneidenden Schmerz, der gleich einsetzen würde. Aber nach ein paar Sekunden, in denen ich wie betäubt dastand, wartete ich immer noch darauf.
    » Das kann nicht sein«, keuchte ich und streckte langsam meinen gar nicht mehr so gebrochenen – eigentlich völlig unversehrten – Arm aus und bewegte ihn. Immer wieder ballte ich die Hand zur Faust.
    » Das. Kann. Nicht. Sein.«
    Am liebsten wäre ich durchgedreht.
    Am liebsten hätte ich alle inneren Alarmglocken geläutet und um Hilfe gerufen.
    Ich wollte es endlich verstehen.
    Nein, das war es nicht. Was ich wollte … es war das, was ich schon immer wollte, nur in einer anderen Verpackung.
    Ich wollte, dass das nicht mein Leben war.
    Ich wollte, dass das – was immer mich zu diesem Zwei-Leben-Menschen machte – nicht definierte, wer ich war.
    Ich presste die Augen zu. » Und du kannst nichts dagegen tun«, schalt ich mich selbst und stieß resigniert den Atem aus.
    Ich stolperte in mein Bad, das so groß wie ein Squashfeld war, und übergab mich erneut. Zurück im Bett versuchte ich, ein paar Stunden zu schlafen.
    Es war zwecklos.
    Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich musste mich zwingen, nicht aufzuspringen und auf und ab zu marschieren. Das ändert nichts , rief ich mir ins Gedächtnis, das ist nur eine Sache mehr, die in diesen überquellenden Geschenkkorb der Seltsamkeiten passt, die mein Leben ausmachen.
    Ich konzentrierte mich auf die Vorteile; dieses eine Mal hatte ich einen Freischein bekommen. Es war eine willkommene Erleichterung, dass ich mich nicht in ein paar Stunden die Treppe hinunterstürzen musste.
    Nimm es
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