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Ein Tag, zwei Leben (German Edition)

Ein Tag, zwei Leben (German Edition)

Titel: Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
Autoren: Jessica Shirvington
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Leben.
    Das war noch nie zuvor passiert.
    Es war fast zehn Uhr abends.
    Shit.
    Nur noch zwei Stunden, um einen Plan zu machen!
    Ich hasste es, wenn mir die Probleme über den Kopf wuchsen – es bedeutete, dass ich vor dem Wechsel nicht mehr schlafen konnte. Ich spürte bereits, wie meine Handflächen klamm wurden. Es machte mir immer Angst, um Mitternacht wach zu sein.
    Auf Zehenspitzen schlich ich an Maddies Zimmer vorbei. Im Moment konnte ich es nicht mit ihr aufnehmen; ich konnte jetzt kein tapferes Gesicht aufsetzen.
    Nachdem ich die Kissen auf meinem Bett gestapelt hatte, setzte ich mich hin und legte den Arm auf den Stapel.
    » Ich bin die Meisterin meiner eigenen Welt«, skandierte ich vor mich hin. » Ich meistere, was auf mich zukommt. Ich schaffe das.« Aber meine Worte klangen falsch und ließen schnell nach, als die Wahrheit über mich hereinbrach und sich mit eisernen Fängen an mir festklammerte.
    Ich habe mir den Arm gebrochen.
    ICH . HABE . MIR . DEN . ARM . GEBROCHEN .
    » Idiotin!« Mein Magen zog sich vor Angst zusammen, und ich versuchte vergeblich, meine Atmung zu verlangsamen.
    Normalerweise hatte ich einen eingebauten Radar für solche Sachen. Was geht und was nicht geht. Wie alles funktioniert. Eigentlich ist es ziemliche einfach. Mein Körper und alles, was dazugehört – Verstand, Erinnerungen –, machen den Wechsel mit. Aber das ist auch schon alles. Materielle Dinge – Kleider, Schmuck, sogar Nagellack – werden zurückgelassen. Das Einzige, was mir bleibt, ist mein Name. Aus Gründen, die ich nicht erklären kann, haben mich beide Elternpaare Sabine genannt.
    Fazit: Wenn ich mir im einen Leben die Haare schneiden lasse, werden sie im anderen Leben auch beeinträchtigt sein. Einmal habe ich eine verdeckte Strähne rosa gefärbt, und obwohl die Farbe den Wechsel nicht mit vollzog, waren die Pigmente meiner Haare so beeinträchtigt, dass es in meinem anderen Leben anders aussah – ich habe es nie gewagt, weiter zu experimentieren. Wenn ich im einen Leben krank bin, bin ich in beiden krank. Wenn ich mich allerdings im einen Leben tätowieren lasse – nicht dass ich das vorhätte, sehr zu Capris Enttäuschung –, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nur in diesem einen Leben sichtbar wäre. Tinte vollzieht den Wechsel nicht, aber die Schmerzen beim Verheilen wären in beiden Welten zu spüren. Wenn ich mir die Nase piercen ließe, würde das Loch in beiden Leben existieren, der Ring jedoch würde in einem bleiben.
    Ich presste meine Finger an die Schläfen. Ich hasste es, über diesen Kram nachzudenken. Das meiste davon war einfach irrsinnig und fühlte sich … falsch an. Als wäre ich irgendwie falsch. Um Fehler zu vermeiden, war ich die ganze Zeit vorsichtig – ich ließ mir die Haare nur schneiden, wenn es sein musste, ich trug es lang und beließ es in seinem natürlichen, langweiligen Braun, wodurch ich nie die Art von Frisur hatte, die eine meiner Welten wirklich gutheißen würde. Ich blieb irgendwo dazwischen, in der Schwebe. In Sicherheit. Dort blieb ich – die ganze Zeit. In Sicherheit. Vorbereitet. Allein.
    Ich habe zwei Leben und dennoch bin ich ein Geist.
    In weniger als zwei Stunden würde ich in meinem anderen Leben sein. Mit drei sehr große Problemen: Erstens sollte ich dort keinen gebrochenen Arm haben – und dann auch noch ohne Grund. Zweitens: der Gips würde als materieller Gegenstand nicht mit mir kommen. Und drittens würde ich morgen meinen achtzehnten Geburtstag nachfeiern und ein gebrochener Arm würde nicht zu meinem Kleid passen. Ab-so-lut nicht.
    Ich lehnte mich zurück, starrte die Farbe an, die von der Decke abblätterte, und suchte nach einer Lösung. Die einzig sinnvolle würde wehtun. Sehr weh. Aber mich die Treppe hinunterzustürzen, wenn ich aufwachte, wäre der einzige Weg, überzeugend vorzugeben, ich hätte dieselbe Verletzung soeben erlitten.
    Etwa eine Stunde vor dem Wechsel zog ich mich um, schlängelte mich mit einer Hand aus meinem engen Minirock und wand mich in mein übergroßes Schlaf-T-Shirt. Die Schlinge nahm ich ab; sie war eher ein Hindernis als eine Hilfe. Meine schwarzen Doc Martens ließ ich bis zum Schluss an und zuckte zusammen, als ich mit einer Hand daran zog, um die Schnürsenkel zu lockern, bevor ich meine Füße dazu benutzte, um sie von mir zu schleudern.
    Ich war auf Rituale angewiesen, fand Trost in den Mustern, die ich über Jahre hinweg entwickelt hatte. Ich machte es mir im Bett bequem, ignorierte den Schweiß auf
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