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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben
Autoren: Nicholas Sparks
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unsere Ehe aus dem Lot zu bringen, doch in Wirklichkeit
war es eine Bagatelle, die man unter anderen Umständen ein paar
Jahre später als lustige Anekdote zum Besten gegeben hätte. Aber
das, was ich getan habe, war für Jane sehr schlimm, es war für uns
beide schlimm, und deshalb beginnt hier meine Geschichte.
Es war der 23. August 2002. Ich war aufgestanden, hatte gefrühstückt und, wie meistens, den größten Teil des Tages in der Kanzlei
verbracht. Was sich während meines Arbeitstages ereignete, hat für
den weiteren Gang der Ereignisse keine Bedeutung, und ich muss
zugeben, dass ich mich an nichts erinnern kann - außer, dass es keine
außergewöhnlichen Vorkommnisse gab. Ich kam zur üblichen Zeit
nach Hause und stellte erfreut fest, dass Jane dabei war, mein Lieblingsessen zuzubereiten. Bei der Begrüßung fiel mir auf, dass ihr
Blick nach unten wanderte, als wolle sie überprüfen, ob ich außer
meiner Aktentasche noch etwas anderes in der Hand hielt. Warum sie
das tat, begriff ich erst viel später. Aber außer meinen Unterlagen
und Akten hatte ich nichts dabei. Eine Stunde später saßen wir beim
Abendessen, und während Jane anschließend den Tisch abdeckte,
holte ich schon die Papiere aus meiner Tasche, die ich noch durchgehen wollte. Ich saß in meinem Arbeitszimmer und überflog gerade
die erste Seite, als Jane in der Tür erschien. Sie stand einfach nur da
und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab - mit einer Miene,
die tiefe Enttäuschung ausdrückte. Diese Enttäuschung habe ich im
Laufe der Jahre zu identifizieren gelernt, auch wenn ich sie nicht
immer zuordnen kann.
»Möchtest du mir irgendetwas sagen?«, fragte sie nach einer Weile.
Ich zögerte. Dass hinter dieser scheinbar harmlosen Frage etwas
anderes steckte, wusste ich natürlich sofort. Hatte sie vielleicht eine
neue Frisur? Nein, ihre Haare waren nicht anders als sonst, sagte mir
ein prüfender Blick. Ich hatte mir längst angewöhnt, auf solche Kleinigkeiten zu achten. Was sonst konnte es sein? Ich durfte nicht zu
lange schweigen, aber ich wusste beim besten Willen nicht weiter.
»Wie war dein Tag?«, erkundigte ich mich schließlich.
Mit einem eigenartigen Lächeln wandte sie sich ab und ging, ohne
etwas zu antworten.
Inzwischen weiß ich natürlich, was sie erwartet hat, aber in dem
Moment zuckte ich nur ratlos die Achseln und vertiefte mich wieder
in meine Arbeit. Vielleicht, so dachte ich, sollte ich den Vorfall am
besten in dem Ordner »Frauen sind ein Rätsel« abheften.
Ich ging ziemlich spät schlafen, doch als ich es mir gerade unter der
Bettdecke bequem machen wollte, hörte ich von der anderen Seite
des Betts ein eigenartiges Geräusch, das wie ein Schluchzen klang.
Jane wandte mir den Rücken zu, aber als ich ihre zuckenden Schultern sah, wusste ich, dass sie tatsächlich weinte. Erschrocken flehte
ich sie an, mir doch bitte zu sagen, was los sei, doch als Antwort erhielt ich nur ein röchelndes Schniefen. Ich bekam es mit der Angst zu
tun, versuchte aber, die Panik zu unterdrücken und nicht gleich daran
zu denken, was ihrem Vater oder den Kindern Schreckliches zugestoßen sein könnte. Oder hatte Jane vielleicht von ihrem Arzt eine
bedrückende Neuigkeit erfahren? Probleme, die ich nicht lösen kann,
machen mich immer völlig fertig, ich möchte sie am liebsten ganz
weit weg schieben. Ich legte Jane die Hand auf die Schulter, in der
Hoffnung, sie auf diese Weise ein bisschen beruhigen zu können.
»Was ist los?«
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie reagierte. Mit einem tiefen
Seufzer zog sie sich die Bettdecke über die Schultern und flüsterte:
»Alles Gute zum Hochzeitstag.«
Neunundzwanzig Jahre! In dem Moment fiel es mir wie Schuppen
von den Augen, aber es war zu spät. Jetzt erst entdeckte ich auf der
Kommode die Geschenke, die sie für mich gekauft hatte, wunderschön verpackt und säuberlich gestapelt.
    Ich hatte unseren Hochzeitstag einfach vergessen.
Ich will mich nicht verteidigen, selbst wenn ich es könnte. Was
würde es nutzen? Selbstverständlich habe ich mich sofort bei Jane
entschuldigt, am nächsten Morgen noch einmal, und als wir abends
auf dem Sofa saßen und sie das Parfüm auspackte, das ich mit Unterstützung einer jungen Dame bei Belk’s für sie ausgewählt hatte, lächelte sie, bedankte sich und tätschelte mein Bein.
In diesem Moment spürte ich mit fast schmerzlicher Klarheit, dass
ich sie noch genauso liebte wie am Tag unserer Hochzeit. Doch als
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