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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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BMW das Kurkonzert unterbrochen hat. Wie wir schon ahnten, war Oma nicht in ihrer Wohnung. Dass Tobias so bescheuert auffällig in Erscheinung tritt, kommt uns natürlich sehr zugute.
     
    Blöderweise haben wir keinen Wagen. Ein Kollege hat Maria vorhin hier vorm Taarephüs abgesetzt, nachdem der zerbeulte Mini am Süderender Friedhof nicht mehr anspringen wollte. Fritz überlässt Maria und mir ohne viel Aufhebens seinen penibel gewienerten silbernen Golf. Wir sehen immer noch aus wie Sau, aber Fritz scheint das nicht im Geringsten zu stören. Maria und ich fahren zu Arne nach Utersum, weil der nicht ans Handy geht. Wir parken neben der Strandkorbhalle und rennen über die Düne. Am Strand lagern Feriengäste in Strandkörben und auf Handtüchern, sie lesen Bücher und Zeitungen, Kinder buddeln mit Schaufeln im hellen, weichen Sand, es riecht nach Sonnenöl und Nordseeluft. Arnes grüner Vermieter-Strandkorb ist abgeschlossen, er selbst ist nirgends zu sehen.
    Als wir zum Parkplatz zurückeilen, kommt er gerade mit seinem bunt lackierten Bulli angefahren. Auf dem Dach befinden sich drei Surfbretter unterschiedlicher Größe, die er allerdings nur aus Statusgründen hin- und herfährt. Im Wasser könnte er wegen seiner angeschlagenen Bandscheibe nichts mehr damit anfangen.
    «Wo ist Oma?», bedrängt Maria ihren Vater, noch bevor der ausgestiegen ist. «Die Polizei sucht sie.»
    «Die Polizei sucht Mama?»
    «Ja», bestätigt Maria ungeduldig.
    Arne lacht, er will es einfach nicht glauben. Dann überlegt er. «Selbst wenn ich wüsste, wo sie steckt, würde ich es dir kaum sagen. Ich habe ja wohl auch ein Aussageverweigerungsrecht, als Angehöriger.»
    «Papa, ich will sie vor der Polizei finden!»
    «Du bist die Polizei!»
    Maria sieht ihn an. «Es geht um Oma!», sagt sie leise.
    Arne schaut sie ebenfalls erschrocken an. Diesen Tonfall kennt er von seiner Tochter nur in höchsten Notlagen. «Und nun?»
    «Wo ist Oma? Bitte!»
    «Vorhin hat Tobias vor eurem Haus in Nieblum gehalten und ist in den Garten gelaufen. Das ist das einzige, was ich weiß.»
    «Wann war das?»
    Arne schaut auf seine wasserdichte Uhr. «Vor ungefähr zehn Minuten.»
    «Dann wird er gleich hier sein», sage ich. «Los!»
    Wir springen in unseren geliehenen Golf. Gerade, als wir losfahren, sehen wir hinter uns im Rückspiegel Tobias’ dunklen BMW heranrauschen. Zum Glück hat er uns im silbernen Golf von Fritz nicht erkannt. Er steigt aus und eilt Richtung Strandkörbe. Das kostet Zeit, gut so!
     
    Maria und ich fahren Richtung Dunsum zu Ockes Haus hinterm Deich. Da Ocke Omas Freund ist, könnte sie vielleicht hier untergekommen sein. Sein Taxi ist nicht zu sehen, das ist schon mal schlecht. Maria drückt den Klingelknopf. Nichts.
    Wir rennen um das Gebäude herum und schauen durch jedes Fenster. Keiner da.
    Dann klingelt mein Handy, und ich erfahre von Friederike, dass Tobias gerade das Museum «Kunst der Westküste» betreten hat. Oma hat dort eigentlich nichts zu suchen – das hoffe ich wenigstens. Aber für Tobias wird es eine Weile dauern, alle Räume zu durchsuchen.
    Ich rufe vom Auto aus meine Tante Regina beim Optiker in Wyk an. «Moin, hier ist Sönke.»
    «Ich bin gerade in einem Kundengespräch, kannst du später noch einmal –»
    «Deine Mutter wird von der Polizei gesucht!»
    «Wir haben Gleitsichtgläser in drei Qualitäten, wenn Sie mal schauen mögen –»
    «Regina!»
    «Es passt gerade nicht!»
    «Weißt du, wo Oma steckt?»
    «Nein.»
    «Hast du mit ihr über das Heim geredet?»
    «Ich muss jetzt auflegen.»
    «Hast du?»
    «Nur ganz allgemein.»
    Also ja und ausführlich.
    «Wann war das?»
    «Vorhin.»
    «Falls du Oma siehst, meldest du dich, ja?»
    «Ich lege jetzt auf.»
    Sie legt auf.
     
    Maria macht einen U-Turn und rast auf das Gelände der Kurklinik in Utersum. Wir springen aus dem Golf und laufen durch den Kiefernwald. Es ist schattig hier, ich fröstele etwas, denn meine Klamotten sind immer noch klamm. Überall sind Wege für die Patienten angelegt, einige Trampelpfade führen direkt zu den Raucherplätzen am Wasser. Wir sind nicht sicher, ob Oma hier irgendwo ist, aber es könnte gut sein. Regina wird versucht haben, ihr die Vorteile des Heims klar zu machen, und wie ich Oma kenne, will sie sich selbst ein Bild machen.
    Wir haben Glück.
    Oma sitzt in Röhrenjeans und bauchfreiem rosa T-Shirt in der Sonne auf dem Steg, neben ihr Fräulein Rottenmeier. Die beiden lachen, gestikulieren mit großen
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