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Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten
Autoren: Selim Özdogan
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nach einem besseren Lokal als gestern abend Ausschau hielten.
    Als wir in die Straße einbogen, in der das Hotel war, ging vor uns eine Frau, die einen Kinderwagen schob. Sie trug ein kurzes weißes Kleid mit blauen Punkten und flache Sandalen.
    Ich sah auf ihre Beine, nicht aus Lüsternheit, sondern weil ich gerade versuchte mir vorzustellen, wie angenehm es wohl war, im Sommer ein luftiges Kleid zu tragen. Es mußte doch ein schönes Gefühl sein, eine Hose hing auf den Hüften und klebte an den Beinen, aber in einem Kleid konnte man sich bestimmt freier fühlen, womöglich auch verletzlicher.
    Es kam völlig überraschend. Eine Windböe wehte der Frau das Kleid hoch, für vielleicht eine Sekunde konnte ich ihren Hintern sehen. Sie hatte keinen Slip an.
    Sie hatte keinen Slip an, ich konnte es kaum fassen, eine Frau mit einem Kinderwagen, das tat sie doch nicht, um einem Mann seine Phantasien zu erfüllen. Das war erregender als alles, was ich heute bisher gesehen hatte. Vergiß die langen Beine und die kaum verborgenen Brüste, die auf und nieder wippen, die knappen Höschen, die sich abzeichnen, die schimmernden Nylons und die gekippten Becken. Dieses Bild hätte ich mir in meiner Phantasie nie ausmalen können.
    Ich sah zu Oriana, sie hatte es auch gesehen und war offensichtlich ebenfalls erregt. Sie zog die Augenbrauen leicht zusammen, ihr Körper schien sich zu spannen. Wir nickten uns zu und gingen einen Schritt schneller, überholten die junge Mutter, es wäre albern gewesen, auf eine zweite Böe zu warten, so etwas konnte man nicht wiederholen. Ich sah der Frau kurz ins Gesicht und stellte mir vor, ganz aus der Nähe in diese kleinen, blauen Augen zu gucken.
    Als wir die Treppe zu unserem Zimmer im zweiten Stock hochstiegen, ging ich hinter Oriana, die ihren Rock hochraffte, damit ich ihren Hintern sehen konnte. Sie hatte einen einfachen weißen Slip an. Sie ließ den Rock wieder fallen, schloß die Tür auf, wir gingen rein, ich knöpfte meine Hose auf, ließ Oriana auf dem Bett knien, schob den Rock hoch und den Slip beiseite.
    Irgendwann war diese hastige Gier verflogen, es war Sex. Wir beschlossen, ihn nach dem Essen zu zelebrieren.
     
    Es dauerte nicht lange, bis wir ein angenehmes Lokal fanden, das nach hinten raus eine Terrasse hatte. Wir tranken Wein und teilten uns eine Meeresfrüchteplatte, Pfahlmuscheln in Tomatensauce, gefüllte Tintenfischtuben, Garnelen in Knoblauchöl, Schollenfilets, gebratene Babytintenfische, Krabben, Krebsfleisch, eine Art Algensalat. Oriana hatte Bedenken wegen des Preises, aber das schien schnell vergessen, als die üppige Platte dann vor uns stand.
    Während wir aßen, erzählte Oriana von ihrem ehemaligen Verlobten, mit dem sie fast zwei Jahre zusammengelebt hatte. Er arbeitete in einem Museum, als sich die beiden kennenlernten. Ein schlanker blonder Mann, der manchmal etwas abwesend wirkte. Sie hatte mir vorher schon erzählt, daß er Völkerkundler war, jetzt, da ich wußte, was Oriana all diese Mythen bedeuteten, fühlte ich Neid. Doch Mario war krankhaft eifersüchtig gewesen, sie durfte nicht mehr allein weg, mußte immer Rechenschaft ablegen, und irgendwann fing er sogar an, ihre Taschen zu durchwühlen.
    – Er wollte alles wissen, alles kontrollieren. Als er mich dann bat, aufzuhören zu arbeiten, wußte ich, daß es nicht mehr geht. Bis dahin hatte ich es als ein Opfer betrachtet, das mir unsere Liebe wert war. Doch als ich aufhören sollte wahrzusagen, war es, als wolle er mir mein Talent nehmen, mein Leben. Er wollte nicht einsehen, daß das ein Beruf ist, nicht einfach nur ein Hobby, mit dem ich etwas Geld verdiene. Es kam mir vor, als würde er versuchen, mich zu zerstören. Er hat mich geliebt, das glaube ich schon, wir konnten uns sehr nah sein, aber so ging es nicht.
    Wir ließen uns Zeit mit dem Essen, es wurde immer später, bald waren außer uns kaum noch Gäste da. Als wir Wein nachbestellten, kamen wir mit dem Kellner ins Gespräch. Der Mann war um die vierzig, wirkte ein wenig steif, hatte einen Clark-Gable-Schnurrbart und sprach Deutsch mit starkem Akzent. Er sagte, wir würden gar nicht wie Deutsche aussehen, und Oriana erzählte von ihrer sizilianischen Mutter und ich von meinem türkischen Vater.
    – Wir hatten einen türkischen Koch hier, sagte der Kellner, Oktay, verrückt, aber sehr lustig.
    Ich erinnerte mich an Orianas Prophezeiung heute morgen, mein Herz schlug schneller, ich stotterte.
    – So, so, so ein großer Mann, fast
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