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Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)

Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)

Titel: Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)
Autoren: Rike Stienen
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Laura im Laufe der Jahre ohnehin immer dünner geworden ist. Montags heißt es durchatmen. Manfred und Max gehen aus dem Haus, und Laura verzieht sich erst einmal in den Waschkeller. Dorthin ist ihr die Zwergin noch nie gefolgt, wahrscheinlich aus Angst, sie müsse helfen. Es ist Laura recht so. Auf diese Weise hat sie einige Zeit für sich ganz allein. In genau einer halben Stunde wird dieser Moment Realität sein, frohlockt sie, als sie wie jeden Morgen den Krapfen auf dem Teller drapiert. Mit dem Spiegelei wartet sie so lange, bis Helene am Tisch sitzt.
    Deren Anblick ist heute alles andere als appetitanregend, genauso wenig wie ihr Leibgericht. Weil sie mit ihrem Söhnchen zusammen frühstücken will, erscheint sie regelmäßig mit Lockenwicklern und Morgenmantel am Tisch, ungewaschen und zerknittert. Erst wenn Manfred das Haus verlässt, begibt sie sich ins Bad. Nur am Wochenende tanzt Helene in Kleidung an, da Manfred gewöhnlich länger schläft und als Letzter aus den Federn kommt.
    Heute ist sie offensichtlich zusätzlich mit dem falschen Fuß aufgestanden, denn sie grüßt nicht einmal, sondern plumpst auf ihren gut gepolsterten Hintern, bevor sie ohne Einleitung motzt: „Das Ei war gestern viel zu fest! Pass heute besser auf!“
    „Guten Morgen, liebe Helene!“ Lauras ironischer Unterton ist kaum zu überhören, denn ihr Blut fängt schneller an zu kochen als das Wasser für den Kaffee. Warum lässt sie das überhaupt mit sich machen? Als sie nach Bad Hollerbach gezogen sind, hatte sie sich fest vorgenommen, mit der Schwiegermutter gut auszukommen. Laura hat Helene über den Verlust ihres Mannes hinweggetröstet und sie mit ihren seltsamen kulinarischen Angewohnheiten bei Laune gehalten. Irgendwann hat sich das verselbstständigt, obwohl die Zwergin keinerlei Dankbarkeit zeigt. Aber wer schreibt Laura vor, in diesem Moment nicht einfach Schluss mit diesem Blödsinn zu machen?
    „Ich habe nichts dagegen, wenn du dein Ei zukünftig selber brätst“, kommt es Laura mit ungewohnt spitzer Zunge über die Lippen.
    „Du weißt genau, dass ich mit meiner Gicht in den Fingern kein Ei aufschlagen kann.“
    „Ach, aber deine Rosenschere kannst du mühelos bedienen?“ So schnell lässt sich Laura nicht aus dem Konzept bringen. „Der Anblick deiner Rosen scheint ja eine enorme Heilkraft auf deine Hände auszustrahlen. Alles drehst du immer passend, wie es dir gefällt!“
    Helene setzt an, das letzte Wort zu behalten, doch in diesem Moment betritt Manfred in einem seiner Geschäftsanzüge die Wohnküche und erstickt beider Wortgefecht, indem er Laura einen Kuss auf die Wange haucht und seiner Mutter ein Lächeln schenkt.
    Wie gut er immer riecht, wenn er zur Arbeit fährt! Lauras Gedanken schweifen ab zu jenem Tag, als sie Manfred zum ersten Mal sah, während sie angewidert das Ei am Pfannenrand zerschlägt.
    Sie hatte gerade ihre Lehre beendet und arbeitete in einer Änderungsschneiderei in München genau dem Gericht gegenüber.
    Viele Anwälte, Richter und Staatsanwälte kamen und ließen ihre Talare ausbessern oder weiten, wenn ihr Bauchumfang im Laufe der Jahre zugenommen hatte. Eines Tages stand Manfred in voller Pracht vor ihr im dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd, Krawatte und über die Schulter lässig seinen Talar geworfen. Nie hätte Laura zu träumen gewagt, dass der junge Anwalt sich ausgerechnet für sie interessieren würde. Er kam in der darauffolgenden Woche dreimal, um bei seinem Talar unnötigerweise entweder neue Knöpfe oder ein Namensetikett annähen zu lassen, bis er sie endlich ins Kino einlud. Das war der Beginn einer Romanze, die schließlich vor dem Traualtar endete.
    Das Ei droht, wieder zu fest zu werden. Laura kann es gerade noch rechtzeitig aus der Pfanne hieven und über den Krapfen stülpen. Helene verzieht das Gesicht, als der Teller vor ihrer Nase landet. Sie kommt jedoch nicht dazu, einen Kommentar abzugeben, denn Manfred ist schneller. Er schaut Laura nicht an, als er mit seiner Beichte beginnt.
    „Schatz, Peter hat mich gestern Abend spät angerufen. Du warst schon im Bett. Er kann nicht wie geplant zum Juristenkongress nach Stockholm fahren. Diesmal wäre er dran.“
    „Das heißt, du fährst?“, führt Laura die Rede weiter. „Das macht doch nichts, dann ist er eben die nächsten beiden Male dran!“
    Manfred nickt, aber es ist ihm anzumerken, dass das nicht das einzige Problem ist. Er räuspert sich: „Der Kongress ist ausgerechnet an deinem Geburtstag!“
    Laura
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