Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen
Autoren: Melanie Barbera
Vom Netzwerk:
hatte sie ebenso wenig zu verantworten wie Tony.
    Guinievaire erwiderte sein schwaches Lächeln und dabei leuchtete ihr schönes Gesicht. Was sie ihm geschrieben hatte, entsprach offenbar der Wahrheit: sie machte einen ausgesprochen glücklichen Eindruck. Sie war dünner als früher, bemerkte Tony etwas besorgt, aber sie war schöner als jemals zuvor, denn seitdem Tony sie gekannt hatte, hatten sie stets zahllose Sorgen belastet, die meisten wegen ihrer schwierigen Beziehung, aber das Mädchen, das ihm nun gegenüber saß, war unbekümmert und gelöst. Selten hatte er Guinievaire bisher so erlebt und selbst wenn Tony die Frage quälte, warum sie derart ausgeglichen wirkte, so gefiel sie ihm doch besser als jemals zuvor. In diesem Augenblick nippte sie vom Rand der Tasse, dann sah sie ihn mit großen Augen an.
    „Du siehst großartig aus,“ ließ Tony sie wissen. Ihr Anblick hatte ihm unglaublich gefehlt.
    Guinievaires Blick fiel sogleich auf die Tischplatte herab. „Danke,“ murmelte sie beinahe bescheiden, wobei Tony überrascht war ob ihrer Zurückhaltung. Er hätte gerne ihre Hand genommen, aber warum war sie derart zögerlich? Hatte sich nicht alles geklärt und waren sie nicht beide unschuldig?
    „Vicky und Snooze sind wieder hier, wusstest du das?“ wechselte sie plötzlich das Thema, um weiterhin unverbindlich zu bleiben. „Sie haben uns heute morgen besucht.“
    „Ich wusste nicht, dass sie hier sind,“ entgegnete Tony abwesend und schüttelte den Kopf, wobei er sich durchaus freute über die Nachrichten, dass die Menschen, die wohl als seine beiden besten Freunde gelten konnten, wieder hier in seiner Nähe waren. In seinem Kopf gingen jedoch in diesem Augenblick wesentlich dringlichere Dinge vor sich: wo hatten sie Guinievaire besucht? Lebte sie wirklich wieder in Hastings House? Es gab kaum eine andere Möglichkeit, aber zugleich war es auch etwas seltsam, dass sie von einem ‚Uns‘ sprach, denn damit konnte sie unmöglich auch ihren verhassten Vater meinen. Tony beschloss, das Gespräch wieder in eine produktivere Richtung zu lenken, ob es ihr nun gefiel oder nicht. Langsam wurde er ungeduldig und er wollte sie immer noch mehr als dringend küssen.
    „Guinievaire, es war nichts weiter als ein großer Zufall,“ bemerkte er also mit einem weiteren Kopfschütteln. „Keiner von uns trägt die Schuld. Ich bin so froh, dich endlich wiederzusehen.“
    Stumm nickte sie und Tony drohte an ihrer Kälte zu verzweifeln. Schließlich, nach einer kleinen Pause, fing sie seinen bettelnden Blick auf und schien sich ein Herz zu fassen und sich seiner zu erbarmen. Endlich würde er Erklärungen bekommen.
    „Tony,“ sagte sie ruhig und abgeklärt. „Als du nicht nach Italien gekommen bist, da war ich sehr enttäuscht. Ich habe bis Mai auf dich gewartet, eine lange, lange Zeit, und ich war schrecklich verletzt. Ich dachte, du wolltest mich nicht mehr.“
    Eilig erhob Tony die Hände zum Protest. „Guinievaire, hätte ich gewusst, wo du bist, und dass du mich sehen willst, ich hätte keine Sekunde gezögert, aber dank der Geschichte, die Marion für mich gesponnen hatte, habe ich geglaubt, du würdest mich nicht mehr lieben.“ Guinievaires Mundwinkel zuckten unzufrieden. Tony war sich nicht sicher, ob er das sagen sollte, was er sagen wollte, aber er tat es dennoch. „Und ich habe mit Vicky gesprochen, kurz nachdem du abgereist warst. Sie hat mir klar gemacht, dass eine Verlobung zwischen dir und deinem besten Freund nicht so abwegig war, wie ich zu Beginn angenommen hatte.“ Sein letzter Satz hatte dabei nun etwas vorwurfsvoll geklungen, aber wie sollte er es leugnen? Es hatte ihn sehr mitgenommen, wie unverschämt sie ihn angelogen hatte.
    „Es tut mir wirklich leid, dass ich es dir nicht gesagt habe, Tony,“ entschuldigte sein Gegenüber sich leise, während eine ganz neue Frage in Tonys Kopf auftauchte, eine, von der er nicht glauben konnte, dass er sie sich nicht schon zuvor gestellt hatte: was um Himmels Willen war eigentlich mit ihrem angeblich besten Freund geschehen, der sie mit Hilfe eines klugen Schachzuges überhaupt erst nach Italien gebracht hatte? Sie mussten die ganze Zeit dort gemeinsam verbracht haben, von September bis Juni war er also ihre einzige Gesellschaft gewesen, der Mann, den sie laut Vicky angeblich angebetet hatte.
    „Guinievaire, wieso durftest du wieder nach Hause kommen?“ erkundigte Tony sich nun endlich. Er musste es wissen, selbst wenn es schmerzhaft sein sollte. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher