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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus
Autoren: Nicci French
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aufschlug, war sein Gesicht nur ein paar Fingerbreit von meinem entfernt: so braune Augen unter den geraden, dunklen Brauen, daß sie fast schwarz wirkten, wirres, ungewaschenes Haar über einer abgetragenen Lederjacke, stoppeliges Kinn, Geruch von Öl, Sägespänen, Seife. Wir berührten uns nicht. Er sah in mein Gesicht, und ich sah auf seine Hände.
    »Ich hab dich nicht kommen hören. Ich dachte, du würdest ein Dach bauen.«
    »Gebaut. Installiert. Bezahlt. Wie lange haben wir Zeit, bis du Elsie abholen mußt?«
    Ich sah auf meine Uhr.
    »Ungefähr zwanzig Minuten.«
    »Dann müssen zwanzig Minuten reichen. Komm her.«

    »Mummy?«
    »Ja.«
    »Lucy hat gesagt, daß dein Haar getötet ist.«
    »Sie hat nicht gemeint, daß es getötet ist, sie hat vermutlich gemeint, daß es getönt ist. Daß ich es färbe.«
    »Ihre Mummy hat braune Haare.«
    »Nun ja …«
    »Und Mias Mummy hat auch braune Haare.«
    »Möchtest du, daß ich auch braune Haare hätte?«
    »Es ist ein ganz helles Rot, Mummy.«
    »Ja, da hast du recht, das ist es.« Manchmal bin ich selbst noch schockiert, wenn ich morgens verschlafen ins Bad komme und mein Gesicht zufällig in dem fleckigen Spiegel sehe: weißes Gesicht, feine Linien, die sich allmählich um die Augen herum ausbreiten, und ein flammend roter Schopf auf einem schlanken Hals.
    »Es sieht aus wie …«, sie starrte aus dem Fenster, ihr widerspenstiger Körper stemmte sich gegen den Gurt, »… wie diese rote Ampel.«
    Dann folgte Stille, und als ich mich das nächste Mal umsah, war sie fest eingeschlafen, wie ein Baby mit dem Daumen im Mund, den Kopf zur Seite gelegt.

    Ich saß auf einer Kante von Elsies schmalem Bett und las ihr ein Buch vor, zeigte gelegentlich auf ein Wort, das sie stockend buchstabierte oder – wild drauflos und meist fehlerhaft – zu erraten versuchte. Danny saß auf der anderen Bettkante und faltete kleine Stücke Papier zu einer eckigen Blume, einem flinken Mann, einem schlauen Hund. Elsie saß zwischen uns, den Rücken gerade, die Augen leuchtend, die Wangen rot, befangen, lieb und ernst. Wir waren wie eine richtige Familie.
    Elsies Blick schnellte zwischen uns hin und her, verband uns.
    Mein Körper glühte in der Erinnerung an meine kurze Begegnung mit Danny auf dem staubigen Boden meines Arbeitszimmers und in der Vorfreude auf den Abend, der vor uns lag. Während ich las, spürte ich Dannys Blick auf mir. Die Luft zwischen uns war erotisch aufgeladen. Und als Elsie immer undeutlicher redete und schließlich einschlief, gingen wir ohne ein Wort in mein Schlafzimmer, zogen uns gegenseitig aus, berührten uns, und das einzige Geräusch, das man hörte, war das Tropfen des Regens draußen oder manchmal ein Atemzug, der wie ein schmerzliches Aufstöhnen klang. Es war, als hätten wir uns wochenlang nicht gesehen.
    Später nahm ich eine Pizza aus der Tiefkühltruhe und schob sie in den Backofen, und wir aßen sie vor dem Feuer, das Danny angezündet hatte. Dabei erzählte ich ihm von meinen Fortschritten mit der Trauma-Station, von Elsies ersten Schultagen, von dem Versuch, mit dem Buch anzufangen, und von meiner Begegnung mit dem Farmer. Danny sprach davon, welche Freunde er in London gesehen und wie er in bitterer Kälte auf feuchten, baufälligen Sparren gehockt hatte, und dann lachte er und sagte, während ich durch meinen Beruf aufstiege, würde er absteigen: vom Theater zum Nichtstun, dann zur Zimmererarbeit und schließlich zu Gelegenheitsjobs; im Augenblick baute er ein Dach für eine streitsüchtige alte Frau.
    »Tu’s nicht«, sagte er, als ich anfing, hastig etwas darüber zu sagen, daß Erfolg mehr sei als Arbeit. »Spiel es nicht herunter.
    Du brauchst dir nicht solche Sorgen zu machen. Dir gefällt, was du tust, und mir gefällt, was ich tue.«
    Als das Feuer erlosch, gingen wir wieder die knarrende Treppe hinauf, schauten nach Elsie, die in einem Nest aus Daunen und weichen Spielsachen schlief, legten uns in das Doppelbett und wandten einander müde und wie selbstverständlich das Gesicht zu.
    »Vielleicht könnten wir …«, sagte er.
    »Könnten was?«
    »… zusammenleben. Sogar …«, seine Hand rieb meinen Rücken, und seine Stimme wurde ganz leicht und beiläufig, »…
    sogar daran denken, ein Kind zu haben.«
    »Vielleicht«, murmelte ich schläfrig. »Vielleicht.«
    Es war einer unserer besseren Tage.

    5. KAPITEL
    »Alles in Ordnung, Sir?«
    »Nein.«
    »Ich werde Sie aufheitern. Vielleicht etwas zu lesen?«
    Detective Angeloglou warf
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