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Ein Schöner Ort Zum Sterben

Ein Schöner Ort Zum Sterben

Titel: Ein Schöner Ort Zum Sterben
Autoren: Granger Ann
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abgesetzt worden. Der Mond spielte son et lumière. Er spiegelte sich in den oberen Fenstern und erweckte den Anschein, als brenne dahinter Licht – doch falls dort tatsächlich Licht brannte, dann war es hinter schweren Vorhängen verborgen.
    Damals, als Barney in diese Gegend gekommen war, hatte er sich für die einheimische Geschichte interessiert. Er hatte sich mit dem Gedanken getragen, ein Hörspiel über die Devaux zu schreiben, die das Haus gebaut hatten, daher wusste er ein wenig über sie Bescheid. Sie waren wie viele andere auch vom Handel mit Wolle reich geworden, und im achtzehnten Jahrhundert hatten sie sich sicher genug gefühlt, um den Lebensstil des Adels zu kopieren. Nachdem sie Park House erbaut hatten, waren sie zur obligatorischen großen Bildungsreise aufgebrochen, um das Anwesen mit römischen Vasen und abgebrochenen Stücken griechischer Statuen zu füllen. Sie hatten den Park mit längst verfallenem, verwahrlostem Schnickschnack überhäuft und eine kleine Kapelle gebaut, die noch immer stand. Die Kapelle besaß einen praktischen Zweck – sie war das Familienmausoleum, ein passendes Heim für einen Devaux nach seinem Tod. Sie stand ganz am Rand des Parks, hinter jenen Bäumen dort, keine hundert Meter von der Straße entfernt und von dort aus zugänglich, nachdem im Zweiten Weltkrieg die schmiedeeisernen Tore als Altmetall abgenommen und später nie wieder ersetzt worden waren. Doch seit vielen Jahren war kein Devaux mehr in der Kapelle begraben worden.
    Eine kleine dunkle Gestalt kam in Barneys Sichtfeld und trottete über die freie Fläche vor dem Haus. Halb trug, halb zerrte sie etwas im Maul hinter sich her; ein Fuchs mit seiner Abendmahlzeit.

    »Die Natur kennt kein Erbarmen«, sagte Barney laut in die Nachtluft hinein.
    »Auf jetzt, du verrückter alter Kerl! Zeit, dass du nach Hause kommst.«
    Nach dieser Ermahnung mühte er sich auf die Beine und traf Anstalten, weiterzugehen, doch in diesem Augenblick meinte er, unter den Bäumen auf der anderen Straßenseite ein Licht zu sehen. Genau dort, auf dem Pfad, der zum Mausoleum führte.
    Zuerst glaubte er, es sei der Mond, der wieder eines seiner Spielchen spielte und sich in den Scheiben des Mausoleums spiegelte wie in den Fenstern von Park House, doch als er genauer hinsah, flackerte es erneut. Das Licht bewegte sich – es war keine bleiche, starre Reflexion.
    »Oho«, sagte er.
    »Da stimmt doch etwas nicht, oder?«
    Rasch überquerte Barney die verlassene Straße und hielt am Anfang des Weges, der zum Mausoleum führte, erneut inne. Es war kalt und sehr spät, und die Wärme vom Whisky und dem überhitzten Pub war aus seinem Körper gewichen, während er auf dem Zauntritt in der eisigen Nachtluft gesessen hatte. Stechende Schmerzen rasten durch seine Beine. Er sollte wirklich lieber gehen; es war noch immer ein weiter Weg bis nach Hause. Er konnte sich einen Tee machen, sobald er angekommen war.
    Wider besseres Wissen blieb er, wo er war, und lauschte in die Nacht. Irgendjemand war dort unten bei der Kapelle und hatte ein Licht angezündet. Es schimmerte durch die Bleifenster. Ein Landstreicher vielleicht?
    Barney marschierte entschlossen den Pfad entlang. Als er näher kam, lösten sich die Umrisse des Gebäudes aus den umstehenden Bäumen. Er konnte die beiden kleinen spitzen Türmchen sehen, die über dem Eingang in den Nachthimmel ragten.
    Plötzlich erlosch das Licht, das durch die Gitterfenster geschimmert hatte. Barney fand sich unter den Bäumen in absoluter Dunkelheit wieder. Er verlangsamte seinen Schritt und schlich mit äußerster Vorsicht in Richtung Tür.
    Dann hörte er es: ein leises, kratzendes Geräusch und das Klirren einer Kette. Barney erstarrte voller Schrecken. Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand der Kapelle, und seine frühere Neugier wich augenblicklich einer weit älteren, urtümlichen Angst.
    Er kämpfte dagegen an und sagte sich, dass er nicht abergläubisch sei. Er glaubte nicht an Gespenster. Der Whisky hatte sein Gehirn noch nicht bis zu jenem Punkt zerfressen, an dem er Dinge sah oder hörte, die gar nicht da waren! Der Wind war die Ursache für diese Geräusche, Wind, der durch einen Ritz im Mauerwerk ging oder an Ziegeln auf dem alten Dach rüttelte. So einfach ließ sich das erklären.
    Er hatte sich kaum beruhigt, als ein weiteres lautes Knarren, gefolgt von anhaltendem Scharren, ertönte. Als würde etwas über Stein geschleift. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass sich die Tür
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