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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch
Autoren: Kurt Tucholsky
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und sehr blitzend
sieht das alles nicht aus.
    Die ersten Kämpfer, deren einer
vorhin in einem großen Landauer angerollt kam, in der vollen Pracht seiner
Ausrüstung, mit dem runden aufgerollten Zöpfchen am Hinterkopf, sie knien vor
der Präsidentenloge nieder, der Zylinder erhebt sich mit dem Marquis, die unten
murmeln die herkömmliche Formel. Die Besetzung in der Arena und oben auf den
Bänken: es ist nicht Madrid, das uns hier umfängt; die Kämpfe gehen zwar streng
formell wie in Spanien vor sich — aber das Ganze ist doch Provinz.
    Los.
    Der erste Stier von den sechsen
kommt aus dem Stall gebraust.! Da steht er. Musik, Licht nach dem Dunkel der
Haft und so viel Menschen — was soll das? Das wird sich gleich erweisen.
    ‹Juego do Capa›. Die flinken
Männer mit den roten Mänteln laufen vor der pathetischen Kuh auf und ab, sie
schwenken die Tücher, hüpfen beiseite... Alles, was mit Vollkommenheit gemacht
wird, sieht leicht aus. Das ist gar nichts, denkt man, und denkt falsch. Auf
Alpenwegen bringen diese schweren, kräftigen, großen Tiere dem Spaziergänger das
volle Bewußtsein dessen bei, was eigentlich ein Stier ist... Die da necken ihn
wie ein Hündchen. Da kommen die ersten Pferde.
    Es sind alte Kracken, gut für
den Abdecker, abgearbeitete Kreaturen, die ihr ganzes Leben lang geackert,
gezogen und getragen haben. Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert: ihre offenbar
dieses Lohnes. Ein Auge hat man ihnen mit einem Tuch zugebunden, was ihnen ein
sonderbar verkommenes, verludertes Aussehen gibt. Sie lassen an Pferde von
Strauchdieben denken, an Landschenken im Dreißigjährigen Kriege... Mit dem
zugebundnen Auge der Innenseite des Kreises zugewendet, werden sie in die Arena
geritten. Auf ihnen sitzen die Picadores.
    Aber ich habe immer geglaubt,
der Picador sei ein Mann, der, beritten, mit dem Stier kämpfte, ein Kampf, der
dann manchmal für das Pferd ein böses Ende nähme... Der Picador ist ein
Schlächter.
    Niemand kann mit einem
ausgewachsenen Stier kämpfen, wenn der nicht vorher zwei, drei Pferde erledigt
hat, und nimmt er sie nicht an, so ist das für den Toreador eine böse
Belastungsprobe. Das, was der Stier mit den Pferden macht, ist eine große
körperliche Anstrengung für ihn, er arbeitet sich mit dem besten Teil seiner
Kraft erst einmal an diesen Opfern ab... Ein Mann in roter Bluse führt das erste
Pferd am Zügel. Es schnaubt.
    Der Stier sieht das Pferd an.
Der Picador riskiert eine mutige Geste mit seiner Lanze. Der Stier nähert sich;
der Rotblusige hält das Pferd noch immer fest, wendet die Breitseite dem Stier
zu, damit der es recht bequem hat. Der Stier nimmt dankend an. Er geht mit
leichtem Anlauf an das Pferd heran, kracht mit ihm zusammen und bohrt das
rechte Horn in den magern Leib. Er senkt den Kopf tiefer, er wühlt darin herum,
das Ganze sieht aus, als erfülle er ohne alle Leidenschaft eine unumgängliche
Formalität. Das Pferd trappelt, so gut es kann, auf den freien Hufen, zwei
schweben in der Luft. Dann zieht der Stier das Horn heraus.
    Das Pferd ist unten offen.
Einige Därme und etwas Schleim hängen aus ihm heraus, es möchte sich hinlegen.
Nichts. Der Picador ist abgestiegen, macht die Steigbügel zurecht und steigt
auf den Fetzen Pferd zum zweitenmal. Der Stier soll noch einmal stoßen. Der
Stier stößt noch einmal.
    Nun baumelt dem Pferd ein
graurosa Beutel zwischen den Beinen, einmal verfängt es sich in dem Geschlinge
und tritt hinein. Der Picador ist abgestiegen... Und nun läuft doch wahrhaftig
dieses gute, alte Tier — immer ohne einen Laut — durch die ganze Arena, es
möchte hinaus, dahin, woher es gekommen ist, in den Stall, fort von hier... Man
läßt es hinaus. Und alles wendet sich wieder dem Stier zu.
    Ich sehe mich um.
    Ich kenne das, was in den Augen
mancher Beschauer und Beschauerinnen liegt, wenn Schmeling dumpf auf
Samson-Körner boxt. Kein Sport ist vor Mißbrauch sicher. Hier ist nichts davon.
Ich versäume die schönsten Kunststücke der Mantelleute, die mit dem Stier einen
großen Fandango tanzen: aber in keinem Gesicht, in keinem Auge, in keiner Miene
ist auch nur der geringste Blutrausch zu sehen. Sind diese Leute grausam?
    So spricht der Weise:
    «Ein anderer Grundfehler des
Christentums ist, daß es widernatürlicherweise den Menschen losgerissen hat von
der Thierwelt, welcher er doch wesentlich angehört, und ihn nun ganz allein
gelten lassen will, die Thiere geradezu als Sachen betrachtend... Die
bedeutende Rolle, welche im Brahmanismus
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