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Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)

Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)

Titel: Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Autoren: Ann Granger
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Aufforderung kam mir nicht ungelegen, und so stolperten wir gemeinsam nach Hause, indem wir uns an den Händen hielten wie zwei Blinde.
    Nach unserer Hochzeit hatten wir unsere wenigen Ersparnisse zusammengelegt und uns ein kleines Backstein-Reihenhaus nicht weit von der Waterloo Station gekauft. Wir waren dazu in der Lage gewesen, weil die vorherige Eigentümerin die Witwe meines Patenonkels war, meine »Tante« Parry. Es war erst zwanzig Jahre alt und hatte zu den besseren der vielen Häuser in ihrem Besitz gehört. (Andere Häuser waren heruntergekommene Mietskasernen und Elendsquartiere, in denen niemand freiwillig gewohnt hätte – die Mieten reichten jedoch, um Tante Parry ein bequemes Leben zu ermöglichen.) Nichtsdestotrotz hatte sie uns unser neues Heim zu einem sehr entgegenkommenden Kaufpreis überlassen.
    Nachdem wir jedoch all unsere Ersparnisse für das Haus ausgegeben hatten, waren wir nicht mehr in der Lage gewesen, es vollständig auszustaffieren und uns besseres Dienstpersonal zu leisten. (Obwohl Ben ein äußerst respektables Gehalt verdiente und Aussichten auf eine Beförderung hatte.) Wie dem auch sei, das Haus war sowieso nicht groß genug, um Personal unterzubringen. Doch wenn mir die schlimmste Hausarbeit erspart bleiben sollte, brauchte ich Hilfe. Am Dorset Square, wo ich bei Tante Parry als Gesellschafterin angestellt gewesen war, hatte Bessie als Küchenmagd gearbeitet – die niedrigste Stellung von allen Dienstboten. Sie war mehr als willens, sich dem scharfen Blick von Mrs. Simms, der Köchin, zu entziehen und als Mädchen für alles zu uns zu kommen. Und so waren wir alle drei in unser neues Haus gezogen.
    Als ich noch Tante Parrys Gesellschafterin gewesen war, hatte ich Mrs. Simms stets für ungebührlich streng mit der armen Bessie gehalten. Doch ich hatte andererseits bislang nie die Verantwortung für ein fünfzehnjähriges Mädchen gehabt, und nach sehr kurzer Zeit begann ich Mitgefühl mit Mrs. Simms zu entwickeln.
    Bessie arbeitete hart; sie war fleißig und loyal, und ich wusste, dass sie intelligent und schlagfertig war. Doch sie besaß auch einen unabhängigen Verstand und scheute sich sicherlich nicht, ihre Meinung kundzutun. Außerdem erwies sie sich als unerwartet verschlagen. Das Problem hatte sich noch verschärft, als Bessie nicht lange nach unserem Einzug die Tugend der Mäßigung entdeckte.
    Das erste Mal bemerkte ich dies, als Bessie, nachdem wir gerade einen Monat in unserem Haus wohnten, kleinlaut um Erlaubnis fragte, ob sie zu einer regelmäßigen Betstunde jeden Sonntag um fünf Uhr nachmittags gehen dürfe.
    Ich hatte nicht erwartet, dass Bessie Eifer für die Religion entwickeln würde, doch ihre Bitte erschien mir als geziemend, ja sogar löblich. Nichtsdestotrotz stellte ich ihr die ein oder andere Frage. »Und halten Sie bloß Ausschau nach Verehrern, Mrs. Ross!«, hatte eine düster geflüsterte Empfehlung von Mrs. Simms gelautet, als sie Bessie in meine Obhut übergeben hatte.
    Nun war Bessie, wie ich gestehen muss, nicht das hübscheste Mädchen. Sie war drahtig bis mager, und angesichts der Tatsache, dass das arme Kind seit seinem zwölften Lebensjahr Töpfe gescheuert und Böden geschrubbt hatte, waren ihre Hände rot und rau wie die einer Vierzigjährigen. Dazu ihr krauses, mausfarbenes Haar und die schiefen Zähne – nein, »Verehrer« war gewiss nicht das Wort, das mir als Erstes in den Sinn kam, als sie mich um Freizeit für den Besuch der Betstunde bat. Ich erkundigte mich dennoch, was für eine Art von Betstunde es denn sei, wo sie gehalten werde und wer sie leite.
    Ich erfuhr, dass ein gewisser Reverend Fawcett in einem Saal ganz in der Nähe die Stunde abhielt und dass es sich um einen Ableger der Abstinenzlerbewegung handelte. Ich beriet mich mit Ben.
    »Ich habe genügend Gewalt und Kriminalität erlebt, die ihren Ursprung in Trunkenheit hatten«, lautete seine Antwort. »Wenn Bessie dem Alkohol abschwören möchte, dann habe ich nichts dagegen.«
    Ich hätte es ebenfalls akzeptabel gefunden, hätte Bessie nicht einen geradezu fanatischen Eifer entwickelt, die Botschaft des Reverends zu verbreiten. Um es kurz zu machen: Ben und ich sollten nach Bessies Dafürhalten ebenfalls dem Dämon Alkohol abschwören. Nicht, dass wir viel getrunken hätten. Ben nahm gelegentlich ein Glas Porter zum Essen. Während seiner Zeit in London hatte er dieses starke, dunkle Bier schätzen gelernt, das sich bei den Tagelöhnern der Londoner Fisch- und
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