Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
brüllte in die kalte, blauschimmernde Winternacht hinaus.
    »Bob Barreis kommt! Wartet es ab! Bob Barreis kommt wie ein Erdbeben! Ich verspreche es euch!«
    Im Tal schimmerten die Lichter von St. Moritz. Eine glitzernde Burg, in der die Ritter ohne Fehl und Tadel und die Jungfrauen mit den Keuschheitsgürteln fehlten.
    Am 9. März begann die ›Rallye Europe‹. Ziel: Monte Carlo.
    Bob Barreis war vierundzwanzig Jahre alt, fuhr einen Maserati mit 240 PS, Neupreis 53.000 DM, trug die Rallyenummer 11 und war zu dieser Sternfahrt in Hamburg gestartet. Neben ihm saß als zweiter Fahrer sein Freund Lutz Adams, Medizinstudent und Automechaniker. Blond, kräftig, ein Paket aus Muskeln und Sehnen. Bauernsohn aus Vredenhausen.
    Es war eine klirrend kalte Nacht, als sie mit heulendem Motor durch die Berge jagten. Die Straße war glatt, ein Eisparkett, auf dem man besser eine Pirouette drehen konnte als eine Kurve.
    Bob Barreis saß hinter dem Steuer, die Schultern hochgezogen, den Mund verkrampft, die Finger in den knöcheloffenen Handschuhen um das Lenkrad gepreßt. Die vereisten Felswände flogen vorbei wie Schatten.
    Ich komme, dachte er. Ich gewinne. Ich schleudere mich in die oberen Hundert hinein. Paßt auf … Bob Barreis kommt!
    »Das kann gar nicht stimmen! Das muß ein Irrtum sein!« sagte Bob und riß den Maserati um eine Felsnase herum. Die Spikesreifen knirschten und krallten sich in das spiegelnde Eis der Straßendecke. Trotzdem schlitterte der Wagen, brach hinten aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und rutschte auf den Felsen zu. Die sechs Halogenscheinwerfer rissen die glitzernde, zerklüftete Steinwand aus der Nacht. Lutz Adams zog den Kopf ein und knurrte. Wer mit Bob fuhr, kannte keine Angst. Der Maserati kreischte, drehte sich kurz vor der Wand zur anderen Seite und raste in der richtigen Fahrtrichtung weiter.
    »Fahr nicht wie ein Verrückter!« war alles, was Adams dazu sagte. Er beugte sich über das Streckenbuch und las mit ruhiger Stimme weiter. »Kurve links, Kurve rechts, zweiter Gang, Steigung hundert Meter, Kurve links, in Mitte anschneiden … in Mitte bleiben … Schalten in dritten Gang …« Der schmale Lichtkegel der Taschenlampe wischte kurz über das Gesicht Bobs. Es war verkniffen und wie mit Phosphor angestrichen.
    »Es muß ein Irrtum sein!« sagte er wieder.
    »Die Zeitkontrolle irrt sich nicht, Bob.« Adams starrte auf das unter ihm wegrasende Eisband der Bergstraße. »Wir sind Vierter in der Gesamtwertung.«
    »Unmöglich!«
    »Der Reifenwechsel bei Grenoble. Da hängt die verlorene Zeit drin.« Lutz Adams blätterte in den Notizen und Kilometerangaben des Fahrtbuches. »Bis Monte Carlo ist das nicht mehr aufzuholen. Mensch, Bob … Vierter in dieser mörderischen Tour – das ist doch ein Erfolg.«
    »Ich muß Erster sein! Gerade jetzt und hier!« Bob Barreis kniff die Augen zusammen, als Adams ihn wieder mit der Taschenlampe anleuchtete. »Laß den Blödsinn, Lutz!«
    »Ich wollte nur sehen, wie einer aussieht, der an Wunder glaubt.«
    Der Wagen heulte durch die Nacht, eine kleine Kiste aus Blech, in der 240 Pferdestärken die Räder zu einem rasenden Kreisel trieben. Sechs zitternde, gleißende Finger rissen der Nacht das Kleid vom Leib, entzauberten die Landschaft und verwandelten sie gleichzeitig in ein Gespenst.
    »Es gibt keine Wunder!« schrie Bob und hieb auf das Lenkrad.
    »Aha!« Adams ließ die Taschenlampe wieder über seine Fahrnotizen gleiten. Er zuckte zusammen, als Bob Barreis sich nach vorn warf.
    »Aber es gibt mich!«
    »Du kannst bis Monte Carlo keinen Verlust von neununddreißig Minuten mehr aufholen.«
    »Wer sagt das? Ich werde es beweisen!« Bob verringerte das Tempo und schielte zu Adams hinüber. »Wo sind wir?«
    »Bei Kilometer 145.«
    »Auf halber Höhe geht eine kleine Straße seitlich in die Felsen und schneidet etwa vierzig Kilometer ab. Sie mündet kurz vor dem Ende der Felsenstrecke wieder auf die Nationalstraße.«
    Lutz Adams lehnte sich zurück. Mit der Taschenlampe beleuchtete er seine Fußspitzen. »Da kann doch kein Wagen fahren«, sagte er. »Keine feste Decke. Nur geeignet zum Abschleppen von Bäumen. Überhaupt, was soll das! Die Strecke ist vorgeschrieben. Als ob du zum erstenmal eine Rallye fährst! Du wirst doch disqualifiziert …«
    »Es wird keiner merken.«
    »Ich zum Beispiel.« Adams stieß Bob Barreis in die Seite. »Bob, ich mache das nicht mit. Wir sind Vierter, und dabei bleibt es.«
    »Wir werden Sieger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher