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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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bestätigte CBS diese Einschätzung, und anderthalb Minuten später erklärte auch der Voter News Service Gore zum Gewinner in Florida und damit zum künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
    In einem Interview mit George W. Bush erklärte dieser unbeeindruckt, die Prognosen der Nachrichtensender seien »schrecklich voreilig«.
    Prophetische Worte: Tatsächlich begann gegen halb zehn alles wieder ganz anders auszusehen. Nach und nach revidierten die Sender ihre Hochrechnungen, die Wahl in Florida galt wieder als unentschieden und die Wahl des Präsidenten ebenso.
    Es versprach, eine lange Nacht zu werden. Vincent schob eine Tiefkühlpizza in den Herd und holte sich ein neues Bier.
    Richtig spannend wurde es erst nach Mitternacht. Kurz nach zwei Uhr erklärten die Nachrichtensender Bush zum Sieger inFlorida; den Hochrechnungen zufolge mit einem Vorsprung von über fünfzigtausend Stimmen.
    Um halb drei machte Al Gore den üblichen Telefonanruf, um seinem Konkurrenten den Wahlsieg zuzusprechen. Er hielt sich zu dem Zeitpunkt in Nashville, Tennessee auf. Geplant war ein anschließender öffentlicher Auftritt, um seinen Anhängern für die Unterstützung zu danken. Doch noch ehe Gore die Bühne erreichte, gingen neue Berichte ein, wonach die Differenz in Florida tatsächlich nur um die tausend Stimmen betrug: Daraufhin sagte Gore seinen Auftritt ab, kehrte ins Hotel zurück und rief Bush erneut an, um das Eingeständnis seiner Niederlage zurückzuziehen.
    Später wurde berichtet, Bush habe darauf geantwortet: »Na gut, Mister Vice President , Sie müssen tun, was Sie tun müssen.«
    Worauf Gore erwidert haben soll: »Sie brauchen nicht schnippisch zu werden.«
    Kurz vor vier Uhr zogen die Nachrichtensender ihre Hochrechnungen, wonach Bush Florida gewonnen habe, erneut zurück. Das Rennen war wieder offen – und Vincent so müde, dass er ins Bett ging.
    ***
    Am nächsten Morgen galt sein erster Handgriff dem Computer, um per Internet den Stand der Dinge abzufragen.
    Der sah so aus:
    Al Gore hatte bundesweit 48 976 148 Stimmen gewonnen, George W. Bush nur 48 783 510.
    Bush hatte 29 Staaten gewonnen und damit 246 Wahlmännerstimmen.
    Auf Gore entfielen 18 Staaten und der District of Columbia, was ihm insgesamt 260 Wahlmännerstimmen sicherte.
    Um Präsident zu werden, waren aber mindestens 270 Wahlmännerstimmen erforderlich. Nach dem Stand der Dinge bedeutete das weiterhin, dass die Wahl in Florida alles entschied.
    Die Auszählungen in Florida hatten ergeben:
    2 909 135 Stimmen für Bush.
    2 907 351 Stimmen, also genau 1784 Stimmen weniger, für Gore.
    Auf andere Kandidaten entfielen 139 616 Stimmen.
    Ziemlich knapp also. Außerdem wurde über zahlreiche Pannen und Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Wahl berichtet, besonders im Bezirk Palm Beach, wo sich Wähler über eine verwirrende Gestaltung der Stimmkarten beschwerten.
    Da das Wahlgesetz von Florida aber ohnehin eine komplette zweite Auszählung vorschrieb, wenn der Stimmenvorsprung des Siegers ein halbes Prozent oder weniger betrug, wurde diese angeordnet.
    Der Gouverneur von Florida, Jeb Bush, der Bruder des republikanischen Kandidaten, erklärte offiziell, dass er sich aus allen Vorgängen um die Durchführung der Wahl zurückgezogen habe. Diese unterstehe nun der Innenministerin, Katherine Harris.
    Katherine Harris? Der Name sagte Vincent etwas. Er rief Google auf und wusste zehn Sekunden später, dass Katherine Harris gleichzeitig stellvertretende Wahlkampfleiterin für George W. Bush in Florida gewesen war 1 .
    1 CBS News, 8. August 2001 – http://www.cbsnews.com/stories/2001/08/08/politics/main305435.shtml

KAPITEL 4
    I n den Tagen und Wochen, die folgten, konnte Vincent den Blick kaum von den Fernsehnachrichten lassen. Immer wieder dieselben Bilder: Staatsangestellte, die Lochkarten gegen das Licht hielten, flankiert von den Anwälten beider Kandidaten. Grell kostümierte Proteste von Bush-Anhängern. Öffentliche Erklärungen der kaum weniger grell geschminkten Innenministerin.
    Am Abend des 9. November waren die maschinellen Nachzählungen in 64 von Floridas 67 Wahlbezirken abgeschlossen, und einer inoffiziellen Hochrechnung von Associated Press zufolge führte Bush nur noch mit 362 Stimmen Vorsprung. Al Gores Anwälte verlangten eine Nachzählung von Hand in vier Bezirken, in denen es zu erheblichen Unregelmäßigkeiten beim Stanzen der Stimmkarten gekommen war: Palm Beach, Broward, Miami-Dade und Volusia. Die Innenministerin
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