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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren
Autoren: Jules Verne
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bat, plötzlich über ihn. Er sah den Weg, auf dem er durch Darbringung seines eigenen Lebens Alle retten könnte, die seinem Herzen theuer waren. Er zögerte nicht, ihn zu wählen.
    »Gott schütze sie, murmelte er, und mir sei er in seiner Allgüte gnädig!«
    In demselben Augenblick richtete Dick Sand sein Gewehr auf denjenigen der Eingebornen, der den Bootsriemen führte, und sofort sprang letzterer, von seiner Kugel glücklich getroffen, in Stücke.
    Die Kannibalen stießen einen Schrei des Entsetzens aus.
    Die von dem Riemen nicht mehr gehaltene Pirogue verfiel nun dem Zuge des Wassers. Mit zunehmender Schnelligkeit riß sie die Strömung mit sich fort, und in wenigen Augenblicken tanzte sie nur noch fünfzig Schritte vor den Fällen.
    Mrs. Weldon und Herkules verstanden, was hier vorging. Dick Sand suchte sie zu retten, indem er die Kannibalen und sich selbst in den Abgrund stürzte. Am Uferabgange knieend, sandten ihm der kleine Jack und seine Mutter das letzte Lebewohl zu. Auch Herkules streckte die jetzt ohnmächtige Hand gegen ihn aus!…
    Die Eingebornen machten einen letzten Rettungsversuch und sprangen, um schwimmend das linke Ufer zu erreichen, aus dem Boote, das in Folge dessen kenterte und vollkommen umschlug.
    Auch angesichts des drohenden Todes hatte Dick Sand seine bewährte Kaltblütigkeit nicht eingebüßt. So kam ihm denn der Gedanke, daß vielleicht diese Barke, gerade weil sie mit dem Kiel nach oben dahinschwamm, seine Rettung werden könne.
    In der That drohten mit dem Moment, da Dick Sand in den schäumenden Abgrund hinabgerissen wurde, gleichzeitig zwei Gefahren: die Erstickung durch das Wasser und die Erstickung durch die Luft. Dieser umgekehrte Bootsrumpf aber glich einem Kasten, etwa einer Taucherglocke, unter welcher er den Kopf über das Wasser heraushalten konnte, während er gleichzeitig vor der Wirkung der äußeren Luft, die ihn beim Hinabreißen unfehlbar erstickt hätte, sicher geschützt blieb. Solche Umstände scheinen es zu ermöglichen, daß ein Mensch dem doppelten Erstickungstode müsse entgehen können, selbst wenn er die Niagara-Fälle hinabglitte.
    Dick Sand ward das Alles fast blitzschnell klar. Wie von glücklichem Instinct getrieben, klammerte er sich an eine, die beiden Bordseiten verbindende Bank und fühlte, den Kopf unter dem Schiffskörper immer über Wasser, wie der unwiderstehliche Strom ihn sausend dahinriß, und wie er in fast lothrechtem Falle in die brodelnde Tiefe stürzte.
    Die Pirogue versank in die am Fuße des Kataraktes von den Wassermassen eingedrückte Höhlung, tauchte tief hinab, doch auch bald wieder zur Oberfläche des Stromes empor. Dick Sand, ein guter Schwimmer, begriff, daß Rettung jetzt nur von der Kraft seiner Arme zu hoffen sei…
    Eine Viertelstunde später erreichte er das linke Ufer des Flusses und fand da auch Mrs. Weldon, den kleinen Jack und Vetter Benedict, welche Herkules in aller Eile hierher geführt hatte.
    Die Kannibalen waren schon in dem Wogenaufruhr verschwunden. Sie fanden, da das gekenterte Boot ihnen keinen Schutz verlieh, den Tod schon, bevor sie ganz in die Tiefe des Abgrundes hinabgekommen waren, und ihre Leichen wurden von den spitzen Felsmassen zerrissen, an welchen sich die Strömung weiter flußabwärts brach.
Zwanzigstes Capitel.
Schluß.
    Zwei Tage später, am 20. Juli, begegneten Mrs. Weldon und ihre Gefährten einer nach Emboma, an der Mündung des Congo, ziehenden Karawane. Es waren dies keine Sklavenhändler, sondern ehrbare portugiesische Kaufleute, welche Handel mit Elfenbein betrieben. Die Flüchtlinge fanden die freundlichste Aufnahme und der letzte Theil ihrer Reise ging denn unter ganz leidlichen Umständen von Statten.
    Die Auffindung dieser Karawane war in der That eine Gnade des Himmels zu nennen. Dick Sand hätte mit einem Floße nicht weiter auf dem Zaïre hinabfahren können. Von den Fällen bei Ntemo ab bis nach Yellala bildete der Fluß nur noch eine Kette von Stromschnellen und Katarakten. Stanley zählte deren nicht weniger als zweiundsechzig, und es liegt auf der Hand, daß sich ein Boot überhaupt nicht dazwischen hineinwagen darf. Hier bestand der unerschrockene Reisende vier Jahre später das letzte der einunddreißig Gefechte, die er mit den Eingebornen auskämpfen mußte, und entkam nur wie durch ein Wunder den Gefahren der Katarakte von Mbelo.
    Am 11. August kamen Mrs. Weldon, Dick Sand, Jack, Herkules und Vetter Benedict im Emboma an, wo die Herren Motta Viega und Harrison sie mit
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