Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
dieser Stelle nur 150 bis 200 Schritte in der Breite, und es mußte für den jungen Matrosen, der ja mit dem Ruder umzugehen wußte, ein Leichtes sein, über denselben zu setzen. Mrs. Weldon, Jack und Vetter Benedict sollten bis zu seiner Rückkehr unter Herkules’ Schutze zurückbleiben.
    Nach dieser Vereinbarung wollte Dick Sand eben abstoßen, als Mrs. Weldon zu ihm sagte:
    »Du fürchtest doch nicht, nach den Fällen hin gezogen zu werden, Dick?
    – Nein, Mistreß Weldon, ich fahre zweihundert Schritt vor denselben hinüber.
    – Doch am anderen Ufer?…
    – Lege ich gar nicht an, wenn sich die geringste Gefahr zeigt.
    – Nimm das Gewehr mit.
    – Das thu’ ich, doch beunruhigen Sie sich meinetwegen nicht.
    – Vielleicht wär’ es besser, uns nicht zu trennen, fügte Mrs. Weldon, wie von einem Vorgefühl getrieben, hinzu.
    – Nein… lassen Sie mich allein gehen… erwiderte Dick Sand. Die Sicherheit Aller erfordert es. Vor Ablauf einer Stunde bin ich wieder hier. Haltet sorgsam Wacht, Herkules!«
    Das Boot wurde losgemacht und trug Dick Sand nach dem anderen Ufer des Zaïre.
    Im Papyrusdickicht verborgen, folgten ihm Mrs. Weldon und Herkules mit den Augen.
    Bald hatte Dick Sand die Mitte des Stromes erreicht. Ohne gerade sehr stark zu sein, nahm die Strömung dort, durch den Zug der Wasserfälle, doch ein wenig zu. Zweihundert Schritte stromaufwärts erschütterte das Donnern und Brausen der Fluth die ganze Atmosphäre und ein seiner Staubregen fiel, vom Westwind getrieben, auf den jungen Leichtmatrosen nieder. Er zitterte noch bei dem Gedanken, daß die Pirogue in der vergangenen Nacht, bei nur etwas geringerer Aufmerksamkeit, in die Katarakten hinabgerissen worden wäre, welche offenbar nur ihre Leichen weitergeschwemmt hätten. Das war jetzt nicht mehr zu fürchten; hier genügte ein kräftiger Druck mit dem Bootsriemen, dieselbe in ein wenig schräger Richtung zur Strömung zu halten.
    Eine Viertelstunde später hatte Dick Sand das jenseitige Ufer erreicht und wollte eben auf dessen Abhang springen…
    Da erschallte ein wüstes Geschrei und etwa ein Dutzend Eingeborne stürzten sich auf den Zweig-und Blätterhaufen, der das Boot noch immer verdeckte.
    Es waren das Kannibalen aus dem früher erwähnten Wasser-Dorfe. Schon acht Tage lang gingen sie dem rechten Flußufer nach. Unter dem an den Pfählen ihrer Ansiedelung etwas zerstörten Laubdache hatten sie Flüchtlinge gewittert, d.h. eine sichere Beute, da das Stromhinderniß der Wasserfälle die Unglücklichen früher oder später zwingen mußte, an’s Land zu gehen.
    Dick Sand sah seinen Untergang vor Augen, aber er fragte sich, ob er nicht durch Aufopferung des eigenen Lebens seine Gefährten noch zu retten im Stande sei. In voller Selbstbeherrschung stand er im Vordertheile des Fahrzeugs und hielt mit dem Gewehr an der Schulter die Kannibalen in Respect.
    Inzwischen hatten diese jedoch das ganze Bootsdach abgerissen, da sie weitere Opfer darunter vermutheten. Als sie sahen, daß der junge Leichtmatrose allein in ihre Hände gefallen sei, machte sich ihre Enttäuschung nur in noch drohenderem Geschrei Luft. Ein Knabe von fünfzehn Jahren für Zehn!
    Da erhob sich aber einer der Eingebornen, streckte den Arm nach dem linken Ufer aus und wies auf Mrs. Weldon und deren Begleiter, die Alles gesehen hatten, und unschlüssig, was sie beginnen sollten, eben das Ufer hinaufstiegen.
    Dick Sand dachte nicht im Mindesten an sich, sondern ersehnte vom Himmel eine Eingebung, welche nur die Anderen retten könnte.
    Das Boot wurde abgestoßen. Die Kannibalen gedachten, den Strom zu überschreiten. Gegenüber der auf sie gerichteten Flinte sprachen sie kein Wort mehr. Sie kannten die Wirkung der Feuerwaffen recht gut. Einer derselben aber hatte den Bootsriemen ergriffen und handhabte diesen offenbar mit Geschick so daß die Pirogue wieder schräg über den Fluß glitt Bald befand sie sich nur noch fünfzig Schritt vom linken Ufer entfernt.
    »Flieht Alle, rief Dick Sand Mrs. Weldon zu, flieht!«
     

    Dingo spürte ihn auf und faßte ihn an der Gurgel. (S. 444.)
     
    Weder Mrs. Weldon noch Herkules waren eines Wortes fähig. Es schien, als seien ihre Füße am Boden festgewurzelt.
    Entfliehen? Wozu? Vor Ablauf einer Stunde wären sie doch den Kannibalen in die Hände gekommen.
     

    Und der Bootsriemen sprang, von einer Kugel getroffen, in Stücke. (S. 450.)
     
    Dick Sand verstand sie. Da kam aber die himmlische Eingebung, um welche er im Innern so flehentlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher