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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Autoren: Colleen McCullough
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Sprachmuster sind dermaßen formal, dachte Carmine bei sich, dass man meint, er diktiere gerade einen wichtigen Brief. »Hat Cecil Ihnen berichtet, wie die menschlichen Überreste entdeckt wurden?«, fragte er.
    »Ja.« Das Gesicht des Professors nahm einen gequälten Ausdruck an.
    »Wer hat Zugang zum Kühlraum?«
    »Jeder hier im Hug, obwohl ich nicht annehme, dass ein Außenstehender ihn benutzen könnte. Wir haben nur wenige Eingänge, und die sind alle vergittert.«
    »Warum denn das?«
    »Mein guter Lieutenant! Wir befinden uns am unteren Ende der Linie medizinische Fakultät–Krankenhaus an der Oak Street. Nach uns kommt die Eleventh Street und dann The Hollow. Ein eher unangenehmer Stadtteil, wie Sie sicher wissen.«
    »Mir ist aufgefallen, Professor, dass auch Sie die Bezeichnung Hug verwenden. Wieso eigentlich?«
    Der Mund mit diesem leicht tragischen Zug zuckte. »Daran ist Frank Watson schuld«, presste der Professor durch zusammengebissene Zähne.
    »Wer ist das?«
    »Ein Professor der Neurologie in der medizinischen Fakultät. Als das Hug 1950 eröffnet wurde, wollte er die Leitung übernehmen, aber unser Stifter, der verstorbene William Parson, bestand darauf, dass sein Lehrstuhl an einen Mann mit Erfahrungen auf den Gebieten Epilepsie und mentale Retardierung gehen sollte. Da Watsons Fachgebiet aber demyelinisierende oder auch Entmarkungskrankheiten sind, war er nicht geeignet. Ich sagte zu Mr Parson, dass er einen einfacheren Namen als Hughlings Jackson wählen sollte, doch er war fest entschlossen. Oh, er war schon immer ein sehr willensstarker Mann! Natürlich geht man davon aus, dass so ein Name früher oder später abgekürzt wird, aber ich hätte erwartet, es hieße dann
das Hughlings
oder
das Hugh
. Frank Watson bekam jedenfalls seine kleine Rache. Er fand es furchtbar schlau, das Institut Hug zu nennen, und der Name blieb.«
    »Wer genau war oder ist dieser Hughlings Jackson, Sir?«
    »Ein wegbereitender britischer Neurologe, Lieutenant. Seine Frau hatte einen langsam wachsenden Tumor auf der somatomotorischen Rinde – das ist die vor der Zentralfurche liegende Hirnwindung, also jener Bereich des Neocortex, indem die willkürlichen motorischen Funktionen gesteuert werden –, im Grunde also die Kommandozentrale der Muskeln.«
    Ich verstehe nicht ein Wort von dem, was er da redet, dachte Carmine, aber kümmert ihn das? Nein.
    »Mrs Jacksons epileptische Anfälle waren ausgesprochen seltsamer Natur«, erklärte der Professor weiter. »Sie waren auf eine Körperhälfte beschränkt, begannen auf einer Gesichtsseite, wanderten auf derselben Seite den Arm hinunter bis zur Hand und erreichten schließlich das Bein. Diese Art der Ausbreitung von Krampfanfällen ist auch heute noch als Jackson-Anfälle bekannt. Darauf aufbauend formulierte Jackson die ersten Hypothesen zur Motorik, dass nämlich jeder Körperteil seinen eigenen, unveränderlichen Bereich auf der Großhirnrinde besitzt. Was die Menschen allerdings besonders faszinierte, war die unermüdliche Art, wie er Stunde um Stunde am Bett seiner sterbenden Frau saß und minutiös jedes Detail ihrer Krämpfe notierte. Der Forscher par excellence.«
    »Ziemlich herzlos, wenn Sie mich fragen«, meinte Carmine. »
    Ich nenne es eher Hingabe«, entgegnete Smith eisig.
    Carmine erhob sich. »Niemand verlässt ohne meine ausdrückliche Genehmigung dieses Gebäude. Das gilt auch für Sie, Sir. An sämtlichen Eingängen sind Polizeibeamte postiert, der Tunnel eingeschlossen. Ich schlage vor, dass Sie mit niemandem über die Vorfälle sprechen.«
    »Aber wir haben keine Kantine«, sagte der Professor ausdruckslos. »Was sollen die Leute zu Mittag essen, wenn sie sich nichts von zu Hause mitgebracht haben?«
    »Einer der Polizisten kann Bestellungen entgegennehmen und das Essen dann bringen.« In der Tür blieb Carmine kurz stehen und drehte sich noch einmal um. »Ich fürchte, wir müssen von jedem hier Fingerabdrücke nehmen. Eine größereUnannehmlichkeit als die Sache mit dem Mittagessen, aber ich bin sicher, Sie haben dafür Verständnis.«
    Büros, Labors und Leichenschauhaus des Gerichtsmediziners von Holloman County befanden sich im County Services Building, welches ebenfalls das Holloman Police Department beherbergte.
    Als Carmine das Leichenschauhaus betrat, fand er auf einem stählernen Obduktionstisch die zwei Hälften eines weiblichen Torsos an der richtigen Stelle zusammengefügt vor.
    »Eine wohlgenährte junge Farbige, ungefähr sechzehn
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