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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Autoren: Martina Nohl
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schien
und sie hatte Lust, einen richtig langen Spaziergang zu machen. Später würde
sie dann immer noch Zeit haben, Musik aufzulegen und in Ruhe ihre Kisten
auszupacken. So viele waren das gar nicht mehr.
    Sie aß zwei durchweichte Käse-Tomaten-Brötchen von gestern
und zog sich warm an. Genau, sie würde nach Schriesheim auf die Strahlenburg
laufen. Es kribbelte vor Vorfreude in ihrem ganzen Körper und sie fühlte sich
so lebendig wie schon lange nicht mehr. Sie packte eine Kanne Tee ein und das
alte Weihnachtsgebäck, das sie für David gekauft hatte. Wie es ihm wohl gehen
mochte, dachte sie wehmütig. Jetzt, wo sie hier in Handschuhsheim wohnte, würde
sie ihm sicher einmal über den Weg laufen. Zumindest hoffte sie das, denn sie
wünschte sich, dass ihre freundschaftliche Beziehung eines Tages wieder
fortgesetzt werden könnte. Sie verbot sich jeden Gedanken an seine Zärtlichkeit
und machte sich auf den Weg.
    Die kalte Luft strömte fast schmerzhaft in ihre Lunge, aber
Emily lachte und schritt schnell aus, damit ihr nicht kalt wurde. Sie schlug
den Weg durch die Weinberge ein. Sie pfiff, sie hüpfte und wusste gar nicht,
wohin mit ihrer Energie, auch wenn ihr der Umzug ein wenig in den Muskeln steckte.
So stapfte sie immer höher und schaute über die Rheinebene. Erstaunlich, wie
viele Menschen schon um diese Zeit auf den Beinen waren. Sie erreichte den
Waldrand und beschloss, eine Weile im Wald zu laufen, auch wenn das vielleicht
ein Umweg war, hier blies der Wind weniger stark.
    An einer neu gezimmerten Hütte machte sie Halt und goss sich
einen Tee ein. Sie bewunderte den Ameisenhaufen neben der Hütte und widerstand
der Versuchung ein wenig darin rumzustochern. Hielten Ameisen Winterschlaf? Da
zog eine Bewegung in den Zweigen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Wenige Meter vor
ihr schwang sich ein rotes Eichhörnchen akrobatisch von Ast zu Ast. Ihm
hinterher hüpfte nicht ganz so elegant ein anderes Tierchen. Mensch, das war
doch ein Streifenhörnchen. Gab es die hier auch wild? Oder war das etwa
Hermine? Emily hielt die Luft an. War sie vielleicht wieder ausgebüxt? Emily
ging langsam rückwärts in die Hütte, holte einen Keks aus ihrem Rucksack und
legte ihn mit langsamen Bewegungen vor sich auf den Waldboden. Sie pfiff ganz
leise, wie sie es bei David gehört hatte, um Hermine auf sich und den Keks
aufmerksam zu machen. Doch Hermine war mit spannenderen Dingen beschäftigt.
Plötzlich tönte es hinter ihr: „Netter Versuch.“ Erschrocken drehte sie sich
um. Da stand David in einer grob gestrickten Schafwolljacke locker an eine
Fichte gelehnt. Ihr Herz machte ein Salto.
    „Hast du mich aber erschreckt“, entfuhr es ihr
unfreundlicher, als sie wollte.
    „Entschuldige. Und Grüß Gott erst mal.“ Ein wenig unsicher
trat er auf sie zu, aber sie freute sich so, ihn zu sehen, dass sie auf ihn
zustürmte und ihn und seine Schafwolljacke umarmte. Sie merkte, dass sie ihn
gar nicht mehr loslassen wollte. Was war denn los mit ihr? Sie zwang sich, ihre
Arme von ihm zu lösen, und trat zwei Schritte zurück. Er sah sie prüfend an mit
seinem klaren Blick unter den dichten Augenbrauen, die später sicher buschig
werden würden.
    „Alles klar mit dir?“
    Emily schluckte und nickte. Sie konnte nicht verhindern,
dass sie von einem Ohr bis zum anderen grinste. „Mir geht’s gut.“
    „Das freut mich.“
    „Und dir?“
    „Ich freue mich, dich zu sehen.“ Er pfiff leise und Hermine
hielt in ihrem Fangspiel inne. Er bückte sich und hob den Keks auf. Hermine
stellte sich auf die Hinterpfoten. Er legte ihn einige Meter weiter weg hin und
sie pirschte sich an. Ihr Eichhörnchen-Kumpan guckte ebenfalls, aber hielt noch
vorsichtig Abstand.
    „Magst du auch einen? Die habe ich eigentlich für dich
gekauft, ist das nicht ein Zufall?“
    David musterte sie erneut von der Seite. „Für mich?“
    „Ja, zu Weihnachten. Jetzt sind sie allerdings schon alt.
Aber ist doch gut, wenn sie auf diesem Weg noch bei dir landen.“
    „Du hättest gerne vorbeikommen können“, sagte er leise.
    „Ich habe mich nicht getraut. Ich dachte, du willst
vielleicht gerne Abstand von mir haben.“ Emily konnte ihm nicht in die Augen
schauen.
    „Ja, das war natürlich hilfreich. Aber wenn ich dich jetzt
so sehe auch wieder nicht.“
    Bei Emily begann es ganz tief unten im Bauch zu rumoren, als
würde eine mächtige Welle ihren Weg nach oben suchen. Ganz vorsichtig hob sie
ihre Augen und schaute ihn an. Er sah sie so liebevoll mit
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