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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Autoren: Martina Nohl
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Zunge
beißen können, wie blöd das klang, aber sie hatte sich irgendwann entschlossen,
die ersten Sätze, die ihr im Smalltalk einfielen, auch auszusprechen, sonst
würde sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag kein spontanes Wort mit ihren
Mitmenschen wechseln. Die junge Frau nickte stumm, schrieb sich eine Nummer auf
und wandte sich dann Emily zu. Die hatte plötzlich das Gefühl, in einen
frischen Bergsee zu springen, als sie so gemustert wurde. Die Frau blickte sie
so klar und ruhig an, als wären sie die einzigen Personen, die jemals auf der
Welt gelebt hätten. Sie nahm sie ganz still in sich auf und Emily meinte, die
Zeit stünde still, so lange wurde sie angeschaut, und sie bemühte sich, nicht
verlegen zur Seite zu schauen.
    „Ich bin Clara und wie heißt du?“, sprach sie endlich.
    „Hi, angenehm. Emily.“
    „Ich denke, ich werde bei diesem Umzug helfen, das bringt im
Verhältnis am meisten ein.“
    Emily nickte. „Ich kann mich nicht entscheiden. Ich bin
Optikerin, habe aber keine Lust mehr auf meinen alten Job. Ich würde wirklich
gerne etwas machen, was mir Spaß macht.“
    Clara hob eine Augenbraue. „Und was könnte das sein?“
    „Vielleicht irgendwas, wodurch ich die Stadt und die Gegend
hier näher kennenlernen kann?“
    „Frag doch bei der Bergbahn, die nehmen auch Studierende als
Bergbahnführer am Wochenende, das ist echt lustig.“
    „Hast du heute schon was zu Mittag gegessen?“, fragte Emily
beherzt.
    Clara schüttelte den Kopf. „Nein, wir können gleich was
essen gehen.“ Emily jubelte innerlich. Der Tag schien doch noch gut zu werden.
Sie ließ wie Clara ihren Blick weiter über die Angebote schweifen. Da, Wochenendaushilfe
in einem Seniorenheim in der Plöck. Das hörte sich doch ganz gut an und wurde
auch anständig bezahlt. Dann hätte sie unter der Woche Zeit, sich wirklich um
ihr Studium zu kümmern. Da sie noch nicht viele Leute hier kannte, hatte sie
auch Zeit, am Wochenende zu arbeiten. Und es wäre ja nicht für lange, nur bis
sie dann ihren eigentlichen Job als Stadtführerin annehmen würde. Sie schrieb
sich die Telefonnummer auf und sah zu Clara, die sich die Kontaktdaten zu einem
weiteren Umzug notierte. Emily konnte sich richtig gut vorstellen, wie sie
schwungvoll und vor Energie sprühend wie ein Feuerwerkskörper die anderen
vermutlich männlichen Umzugshelfer aufmischte, so dass diese sich extra ins
Zeug legten, nur um Clara zu beeindrucken.
    Nach getaner Arbeit gingen sie zur Essensausgabe, nahmen
sich jede ein Tablett und entschieden sich für den vegetarischen
Couscousauflauf mit Rosinen.
    „Bist du auch Vegetarierin?“, eröffnete Clara das Gespräch.
    „Nein, ich esse nur kein Fleisch“. Beide kicherten und das Eis war gebrochen. Sie erzählten sich wie alte
Bekannte, die sich lange nicht mehr wiedergesehen hatten, woher sie
kamen, was sie nach Heidelberg verschlagen hatte und wie es ihnen in den
Soziologieveranstaltungen ging. Dann musste Clara weiter. Emily stand mit auf.
Spontan umarmten sie sich und Emily sah Clara nach, die kraftvoll auf den
Ausgang zuschritt, sich nochmal umdrehte, als wüsste sie, dass Emily ihr
nachschaute, und ihr fröhlich zuwinkte. Hat das gut getan, dachte Emily noch
ganz beschwingt. Clara war wirklich wie ein frischer Sommerwind, der alle
Sorgen des Tages weggeblasen hatte.
    Als Clara gegangen war, dachte sie wehmütig an ihre weit
entfernten Freundinnen in Hamburg. Mit Anna hatte sie immerhin gestern kurz
telefoniert, sie dachte schmunzelnd an ihr Gespräch zurück.
     
    „Hallo Emily, ich bin’s, Anna, wollte nur hören, wie’s dir
so geht?“
    „Hey Anna, wie schön deine Stimme zu hören. Prima geht’s
mir, allerdings bin ich total erledigt.“
    „Steckt dir der Umzug noch in den Knochen?“
    Emily lachte. „Nein, ich hätte niemals gedacht, dass
Studieren so anstrengend ist. Ich bin nach einer Nettoarbeitszeit von vier
Stunden heute schon völlig gebügelt, das hätte mir mal früher jemand sagen
sollen.“
    Jetzt war es an Anna zu lachen: „Das versteh’ ich gut, mir
reicht es ja wie du weißt auch völlig, einen halben Tag zu arbeiten, dann muss
ich mich erst einmal ausruhen.“
    Anna war eine talentierte Visagistin, verlor allerdings
einen Job nach dem anderen, weil sie den Stress im Tagesgeschäft nicht aushielt
oder einfach nicht mitmachen wollte, da konnte man sich bei Anna nie so sicher
sein. In einem früheren Leben wäre sie sicher Prinzessin gewesen, die zufrieden
mit ihren Freundinnen lustwandelte und
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