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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8
Autoren: Horst Biernath
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als er die frisch gewachsten Dielenbretter im Licht glänzen und spiegeln sah. »War ich eine tüchtige Hausfrau?«
    Sabine bewegte sich vorsichtig, als schritte sie über blankes Glatteis. Und dann sah sie den neuen Teppich und die neuen Sessel, den Eisschrank, der seit Monaten ihr heimlicher Wunsch gewesen war, und die Kammer, die wirklich wie ein Kinderzimmer aus einem Puppenhaus aussah.
    »Ach, Werner«, seufzte sie und fiel ihm um den Hals, nachdem sie Gaby auf die Wickelkommode gelegt hatte, »es ist wie Weihnachten.«
    »Ja, der Weihnachtsmann war recht großzügig, aber es ist ja auch schließlich sein erstes Enkelkind.«
    »Waren deine Eltern hier?«
    »Nein, das habe ich abgeblasen. Ich möchte das Haus nicht kopfscheu machen, vor allem Holldorf nicht.«
    Sabine schlug das Kinderbett mit dem blauseidenen Himmel über dem Schutzgitter auf.
    »Ein Bett wie für eine kleine Prinzessin.«
    Sie holte das Köfferchen, öffnete es und legte frische Windeln, eine Büchse mit Puder und eine Cremeschachtel auf die Wickelkommode. Dann schnürte sie Gabriele aus dem Steckkissen. Werner trat interessiert näher.
    »Das muß ich mir genau ansehen«, murmelte er.
    »So eine brave Gaby«, lobte Sabine ihre Tochter, nachdem sie sie ausgewickelt hatte, und küßte sie zärtlich auf den Bauch, »nicht einmal naß gemacht hat sie sich, oder nur ganz wenig. Dann können wir das Bad auf später verschieben.« Sie faltete eine neue Windel, puderte ihre Tochter ein und wickelte sie frisch.
    »Aha«, sagte Werner, »ich hab’s schon! Ein Zipfel wird zwischen den Beinen durchgezogen und die beiden anderen legt man von rechts nach links über den Bauch. Und dazu soll man einen Säuglingskurs mitmachen?«
    Sie legten ihr Töchterchen in das Bett, zogen die blauen Vorhänge darüber und verließen die Kammer.
    »Nun sind wir also eine richtige Familie.«
    »Ja, Werner, eine richtige Familie.«
    »In eineinhalb Zimmern. Ein bißchen wenig, findest du das nicht auch?«
    »Ja, ich habe mir auch schon darüber Gedanken gemacht, wie das im Winter werden soll, wenn du studieren mußt. Gaby wird nicht immer so brav und still sein.«
    »Holldorf bekommt im Werkgelände eine Dienstwohnung. Wir könnten seine Mansarde übernehmen. Sie ist im Sommer
    nicht so heiß, und sie haben ein Zimmer mehr als wir, was meinst du dazu, Sabinchen?«
    »Das wäre eine gute Lösung.«
    »Dann werde ich bei Herrn Siebenlist rechtzeitig Dampf dahinter machen, daß wir Holldorfs Wohnung bekommen.«
    »Und was willst du bis zum Beginn des Studiums unternehmen?«
    »Ich sprach gestern abend mit meinem Vater darüber. Er meinte, gut einzukaufen sei mindestens ebenso schwierig wie gut zu verkaufen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Nun, Fröhlich & Söhne brauchen doch alles mögliche für ihr Materiallager, nicht nur Zement, Steine und Eisen. Und da diese Einkäufe in die Millionenbeträge gehen, kommt es darauf an, beim Einkauf ebenso clever und gerissen zu sein, als wenn man jemand ein Bügeleisen andrehen will. Und da meinte der alte Herr, ich sollte einmal mit einem unserer Einkäufer auf Reisen gehen und diese Praxis kennenlernen. Man arbeitet als Einkäufer mit Fixum und Provision, und diese Provisionen können unter Umständen ziemlich hoch sein. Was sagst du dazu?«
    »Ich finde die Idee großartig, und noch besser, weil du dabei für eure Firma arbeitest.«
    »Das meinte der alte Herr auch.«
    »Du scheinst aber nicht sehr begeistert zu sein, wie?«
    Sie saßen in einem neuen Sessel. Sabine auf Werners Schoß, und er schmiegte sein Gesicht in die warme Beugung ihrer Schultern. Er zögerte ein wenig mit der Antwort.
    »Oder willst du etwa wieder zu Henrici gehen?«
    »Weder - noch! Weißt du, Sabine, als ich mit den Rasierapparaten herumsauste, da wollte ich meinem Vater beweisen, daß ich auch ohne seine Hilfe zurechtkomme. Aber jetzt meine ich, daß es für mich und für dich und für unsere Gaby wichtiger wäre, wenn ich so bald wie möglich mein Examen mache. Und später ein paar Jahre in die Industrie gehe, und schließlich, wenn mein Vater mich braucht, bei Fröhlich & Söhne einsteige, wo ich hingehöre.«
    »Ja, weshalb sagst du ihm das nicht?«
    »Ja, warum wohl nicht?« sagte er und grinste.
    »Weil dich dein Dickschädel daran hindert, nicht wahr?«
    »Es sieht fast so aus.«
    »Schäm dich, Wernerchen, so stur zu sein.«
    »Da hilft keine Scham, Süße, da hilft nur gutes Zureden. Und wenn du das vielleicht tun willst.«

    Anni und Peter Holldorf
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