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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen
Autoren: Magnus Montelius
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aber es war auch nicht seine eigene Idee gewesen. Lillemor Lindman hatte ihn zwei Tage zuvor angerufen.
    »Es hat uns gefallen, was Sie in der Zeitung über Erik geschrieben haben. Dass er vielleicht unschuldig sein könnte. Das hat vorher noch keiner geschrieben.«
    Sie hatte aufrichtig dankbar geklungen, und Meijtens hatte sich geschämt. Er wusste genau, sie hätten mehr schreiben müssen.
    »Die Beerdigung hat sich hinausgezögert, aber das ist heutzutage anscheinend so. Jedenfalls ist sie am Montag. Wir haben beschlossen, Erik in Stockholm begraben zu lassen, mein Mann hat so viele Rechnungen offen mit der Stadtverwaltung hier oben, und Eriks Freunde sind doch alle da unten. Es kam uns richtiger vor.«
    Meijtens erwiderte, dass er das gut nachvollziehen können und das stimmte auch. Er erinnerte sich an die düstere Wohnung und das kleine Kinderzimmer. Das war nicht Erik Lindmans Welt gewesen.
    Die kleine Schar von Trauernden begab sich gerade in die Kapelle, als Meijtens eintraf. Er sah die Eltern als Erste hineingehen. Arvid Lindman ging gekrümmt und steif, seine Frau stützte ihn und trug den Kopf hoch. Sie nickte Meijtens freundlich zu.
    Kurz dahinter kam Sonia Terselius. Ihr Blick war leer, und er fragte sich, was sie wohl dachte. Ihr verschwundener Verlobter wurde nur wenige Tage nach dem Mord an ihrem früheren Mann beerdigt. Vor allem aber fragte er sich, was sie wusste.
    Einen Schritt hinter ihr, wie ein heimlicher Beschützer, ging Carl Wijkman. Seine Stirn war gerunzelt, und seine angespannten Kiefer hielten die Unterlippe wie in einem Schraubstock.
    Es gab andere, die er nicht erkannte, aber viele von Erik Lindmans alten Freunden hatten offenbar beschlossen, lieber zu Hause zu bleiben. Meijtens setzte sich ein wenig abseits der übrigen Trauergäste, denn er war sich seines Status als Außenstehender bewusst. Als er sich gerade niederlassen wollte, kam Sonia Terselius auf ihn zu, ihr Gesicht war bleich, und sie zitterte vor Wut.
    »Was haben Sie hier zu suchen? Haben Sie nicht schon genug Schaden angerichtet?«, fauchte sie.
    Meijtens stammelte etwas über Lillemor Lindmans Einladung, als Åke Sundström ihm zur Hilfe eilte.
    »Setz dich, Sonia. Setz dich, und beruhige dich.«
    Sie ging zu ihrem Platz, aber auf halbem Weg machte sie noch einmal kehrt und ging erneut zu Meijtens.
    »Sie sind ein Geier. Ein Aasgeier«, zischte sie, und Meijtens hatte in seinem Leben noch nie das Gefühl gehabt, so gehasst zu werden.
    Er schaute sich um und entdeckte Johan Rooth, der ihn aufmerksam beobachtete. Seine Augen waren schmal und die Lippen zusammengekniffen, als wäre Meijtens ein Fleck auf dem Teppich, der einfach nicht herausgehen wollte. Als sich ihre Blicke begegneten, nickte Rooth ihm zu, jedoch ohne seinen missbilligenden Gesichtsausdruck abzulegen.
    Schließlich begann die Trauerfeier, und Meijtens war erleichtert. Ein Gitarrist spielte ein Stück, das Meijtens für ein irisches Volkslied hielt. Er sah, dass Wijkmans Kopf im Takt der Musik wippte, und nahm an, dass er die Musik für die Feier ausgewählt hatte.
    Er hörte jemanden in die Kapelle kommen und drehte sich um. Überrascht sah er Frieda Stiernspetz mit einem Blumenstrauß in der Hand an der Tür stehen. Sie kam mit wiegenden Schritten herein und setzte sich neben Meijtens.
    Die Trauerrede hielt Wijkman. Er stand mit der Selbstverständlichkeit des geübten Redners auf, ließ eine Hand über die Vorderseite seines schwarzen Jacketts gleiten und schloss einen Knopf. Meijtens stellte fest, dass seine Rede weder ein Pamphlet noch Schönfärberei war und dass er frei, ohne Manuskript sprach: über einen außerordentlich begabten Menschen, dessen Maßstab im Leben sein Erfolg hätte sein können, der sich jedoch von anderen Idealen hatte leiten lassen. Als er über die Opfer sprach, zu denen das geführt habe und die man nur erahnen könne, ballte er die Hände zu Fäusten und schloss kurz die Augen.
    Vor einem Monat hätte ich das für Floskeln gehalten, dachte Meijtens. Aber als Wijkman erzählte, wie Erik Lindman sie alle berührt und verändert hatte, wusste Meijtens auf einmal, wie die Antwort auf Jakubs Frage lautete. Plötzlich wusste er, worum er trauerte. Im selben Moment spürte er Frieda Stiernspetz’ trockene und knochige Hand in seiner. Er nahm sie und drückte sie fest.
    Sie defilierten am Sarg vorbei. Wortlos hakte Frieda Stiernspetz sich bei Meijtens ein, und sie gingen zusammen. Als er ihr nach vorne half, damit sie ihre Blumen
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