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Ein Fest der Liebe - Nacht der Wunder

Ein Fest der Liebe - Nacht der Wunder

Titel: Ein Fest der Liebe - Nacht der Wunder
Autoren: Linda Lael Miller
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habe Schmerzen.”
    “Schweigen”, wiederholte Woodrow gedämpft durch das Seidentuch. “Ich habe Schmerzen!”
    Ohne auf Whitley zu achten, stand Lizzie auf. “Dr. Shane?”
    Er hockte im Gang neben der Mutter des Säuglings und untersuchte behutsam ihren Arm. “Ja?”, fragte er ein wenig gereizt und ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Die älteren Kinder, ein Junge und ein Mädchen, klammerten sich auf dem anderen Sitz aneinander.
    “Das Baby – so wie es schreit – denken Sie, es könnte verletzt sein?”
    “Es ist ein Mädchen”, wisperte die Frau.
    “Sie hat sich nur sehr erschreckt”, erklärte Dr. Shane, diesmal freundlicher. “So wie der Rest von uns auch.”
    “Ich glaube, wir sind verschüttet”, rief der Soldat.
    “Verschüttet!”, stimmte Woodrow mit einem Rascheln seiner Federn zu.
    Tatsächlich drückten sich auf einer Seite des Waggons Schnee, Äste und Steine gegen die Fenster. Auf der anderen Seite lag ein tiefer Abgrund, wie Lizzie von ihren früheren Reisen wusste.
    “Nur eine Verstauchung”, verkündete Dr. Shane Mrs. Halifax. “Ich mache Ihnen eine Schlinge. Wenn die Schmerzen zu schlimm werden, kann ich Ihnen etwas Medizin geben. Allerdings würde ich lieber darauf verzichten. Sie stillen das Baby, oder?”
    Mrs. Halifax nickte und biss sich auf die Unterlippe. Lizzie bemerkte, dass die Frau höchstens so alt war wie sie, vielleicht sogar jünger. Sie war mager, geradezu ausgezehrt, ihre Kleider waren zerschlissen und ausgeblichen.
    Spontan dachte Lizzie an den Inhalt ihrer Truhen: Wollkleider, Schals und der warme schwarze Mantel mit dem marineblauen Seidenkragen. Lorelei hatte ihn Lizzie zum Schulabschluss geschickt, damit sie auf der Heimfahrt schick aussah und trotzdem nicht frieren musste. Sie hatte allerdings beschlossen, dieses teure Kleidungsstück nur sonntags anzuziehen.
    Sie lief zurück zu Whitley, das Baby noch immer in den Armen. “Wir brauchen deine Decke”, sagte sie.
    Whitley runzelte die Stirn und wickelte sich nur noch fester in den weichen Stoff. “Ich bin verletzt”, protestierte er. “Könnte sein, dass ich unter Schock stehe.”
    “Du bist nicht verletzt”, antwortete sie genervt und klopfte mit dem Fuß auf den Boden. “Aber Mrs. Halifax. Whitley, gib mir die Decke.”
    Daraufhin umklammerte Whitley die Decke so heftig, dass seine Fingerknöchel weiß wurden, und schüttelte hartnäckig den Kopf. In diesem Moment erkannte sie, dass sie Whitley Carson nicht heiraten konnte. Nicht einmal, wenn er sie auf Knien anflehen würde, was zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber eine befriedigende Vorstellung war.
    “Nehmen Sie meine, Ma’am”, rief der Soldat von hinten und bot ihr einen ausgewaschenen Quilt an, den er aus seinem überdimensionalen Seesack zog.
    Der Vertreter, dessen Zigarre beim Unfall ausgegangen war, aber noch immer zwischen seinen Lippen steckte, öffnete den Musterkoffer. “Ich habe hier ein paar Geschirrtücher”, wandte er sich an Dr. Shane. “Feinste ägyptische Baumwolle, handgewebt. Eins davon würde bestimmt eine gute Schlinge abgeben.”
    Der Arzt bedankte sich bei dem Vertreter und nahm den Quilt von dem Soldaten entgegen.
    “Wenn ich nur zu meinen Reisetruhen käme”, ärgerte sich Lizzie, während sie sich das inzwischen etwas ruhigere Baby gekonnt auf die Hüfte setzte. Durch ihre jüngeren Brüder und die zahlreichen Cousins war sie den Umgang mit kleinen Kindern gewöhnt.
    “Das ist nun wirklich nicht der Zeitpunkt, um sich Sorgen über die Garderobe zu machen”, bemerkte Dr. Shane abfällig. Er war gerade dabei, aus dem Geschirrtuch eine Schlinge für Mrs. Halifax’ Arm herzustellen.
    Lizzie errötete. Fast hätte sie ihm erklärt, warum sie zu ihrem Gepäck wollte – nämlich aus wahrhaft uneigennützigen Gründen –, doch ihr Stolz hielt sie davon ab.
    “Ich habe Schmerzen!”, beschwerte sich Whitley weiter vorn.
    “Ich habe Schmerzen”, echote Woodrow inzwischen deutlich leiser.
    “Vielleicht sollten Sie sich um Ihren Mann kümmern”, bemerkte Dr. Shane knapp, während er sich aufrichtete.
    Lizzies Wangen wurden noch heißer, obwohl es in dem Waggon immer kälter wurde. Inzwischen konnte sie schon ihren eigenen Atem sehen. “Whitley Carson”, erwiderte sie, “ist mit Sicherheit
nicht
mein Mann.”
    So etwas Ähnliches wie ein Lächeln tanzte in Dr. Shanes dunklen Augen. “Nun”, sagte er gedehnt, “dann haben Sie doch mehr Verstand, als ich Ihnen zugetraut hätte, Miss
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