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Ein Fall von Liebe

Ein Fall von Liebe

Titel: Ein Fall von Liebe
Autoren: Gordon Merrick
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mich, es war den ganzen Sommer heiß, obwohl weder von all dem etwas mit mir zu tun hat, noch mein Gedächtnis immer verläßlich sein wird. In welchem Jahr war es doch? Hatte der Krieg schon begonnen? Nein, es muß der letzte Friedenssommer gewesen sein, der letzte Sommer, den Charlie bei seiner Großmutter verbrachte. Obwohl er es gern vergessen hätte, hatte er noch nähere Angehörige – Mutter, Vater, Bruder. Sie wohnten außerhalb von Philadelphia, wo das konventionelle Provinzleben für seine Empfindungen todbringend war. Soweit er sich erinnern konnte, hatte C.  B., so einmalig, originell und ebenso wenig klassifizierbar wie die Anfangsbuchstaben ihres Spitznamens sie war, für ihn die glitzernde Alternative der großen Welt verkörpert. Vor einigen Jahren hatte sie beiläufig von seiner Mutter gesagt: »Es hat keinen Sinn zu leugnen, daß deine Mutter meine Tochter ist. Aber das bedeutet nicht, daß ich sie gern haben muß.« Und da war ihm das Leben plötzlich unheimlich und beängstigend, aber zugleich unendlich erregend vorgekommen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß C.  B. Witwe war. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn er gehört hätte, sie habe ihren Mann ermordet. Es gab da genug Geheimnisvolles, aber Andeutungen über einen Mord waren noch nie gemacht worden.
    Geheimnisvolles. Er stellte sie sich gern von Geheimnissen umwittert vor, obwohl nichts das wirklich rechtfertigte, außer daß er niemanden sonst kannte, der ihr glich. Dieses Haus. Warum hatte sie beschlossen, ihre Sommer in der düsteren Pracht von Rumson, New Jersey zu verbringen, statt zum Beispiel in einem der eleganten Bäder auf Long Island? Es wirkte wie ein alter Familienbesitz, aber sie hatte es erst vor zehn Jahren gekauft, genau zu Beginn der Depression, als Charlies Eltern fanden, daß sie sich ihr Sommerhäuschen in New England nicht mehr leisten konnten. Er hielt sie nicht für mehr oder weniger reich als andere Menschen; bei ihr war es so, wie es bei jedem sein sollte: sie gab das Geld mit vollen Händen aus, ohne es je zu erwähnen. Die Jahre, die ihn geprägt hatten, hatte er im grauen Schatten der Depression erlebt; sie war der einzige Mensch, den er kannte, der weiter in Behagen und Wohlstand lebte. Während Freunde seiner Eltern aus dem Fenster sprangen, behielt sie ihre beiden imposanten Wohnsitze (seine Kindheitseindrücke von ihrer Wohnung in New York hatte sie ihm für immer als ein zweites Versailles erscheinen lassen), als ob nichts geschehen wäre. Andere diskutierten grimmig über Hitler und solche unpassenden Gegenden wie das Sudetenland; wenn C.  B. von dem bevorstehenden Krieg sprach, entwarf sie ein leuchtendes Bild von marschierenden Helden und wehenden Fahnen. Alles, was sie betraf und interessierte, war in Glanz getaucht.
    Peter, der, wie sich herausstellte, mit Nachnamen Martin hieß, war das Hauptgesprächsthema in der Woche vor seiner Ankunft. Er war anscheinend ein ferner Verwandter. Im Süden lebten ferne Verwandte von C.  B. Sie statteten alljährlich New York einen Besuch ab, der dann auch zu einem Besuch von C.  B. wurde. Hin und wieder fing sie Feuer für einen von deren Söhnen, der ihre Phantasie reizte. Peter war der letzte in einer langen Reihe, aber der erste, mit dem Charlie in nähere Verbindung kommen sollte. Er war auf das Schlimmste gefaßt, doch in seinem tiefsten Inneren verblieb eine hartnäckige Hoffnung.
    »Ich werde ihm das kleine Zimmer neben dem deinen geben«, verkündete sie beim Lunch. »Ich möchte, daß ihr so dicht nebeneinander wohnt, damit ihr euch schnell befreundet. Junge Männer lieben es, erst spät schlafen zu gehen. Dort oben seid ihr ganz für euch. Niemand wird euch stören.«
    »Hoffentlich hassen wir einander nicht auf den ersten Blick.« Die Aussicht, einen Freund im Hause zu haben, hatte zweifellos etwas Verführerisches. Bis auf die ständige Freude, mit ihr zusammen zu sein, fand er die Sommer bei C.  B. ein wenig öde. Das Landklubleben, die gezwungene Gemeinsamkeit junger Leute, mit denen er, bis auf das Alter, kaum etwas gemeinsam hatte, machten ihn ruhelos. Es gab hier keine Gelegenheit für sexuelle Abenteuer, die seit Jahren das Wichtigste in seinem Leben gewesen waren. Er dachte an seine Besuche als Junge bei C.  B. in der Stadt, als die Schränke bis oben mit hübsch eingewickelten Geschenken gefüllt waren, ein Vorweihnachten sozusagen, an das er sich noch immer mit Freude erinnerte. Es paßte ganz zu ihr, ihn mit einem idealen
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