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Ein Erzfeind zum Verlieben

Ein Erzfeind zum Verlieben

Titel: Ein Erzfeind zum Verlieben
Autoren: Alissa Johnson
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sie sich nur, dachte sie, verirren könnte, um nie wieder hinauszufinden.
    Nun, sie konnte es nicht, rief sie sich ins Gedächtnis, und setzte ihren Weg fort.
    Sie sollte für ihren Onkel die Gastgeberin spielen, und daran ließ sich nichts ändern. Außer dass sie sich natürlich auf das vorbereiten musste, was unweigerlich kommen würde. Sie hatte sich diesmal größte Mühe gegeben, sich davon ihren Aufenthalt in Haldon nicht verderben zu lassen – sie war sogar so weit gegangen, sich ein neues Kleid machen zu lassen.
    Sie hatte kein neues Kleid mehr angezogen seit … es schien eine Ewigkeit her zu sein. Das bisschen Nadelgeld, das ihr Onkel ihr gab, erlaubte keine extravaganten Einkäufe. Es reichte kaum für das Nötigste.
    Rückblickend hätte sie vielleicht ihre Ersparnisse nicht angreifen sollen, aber nach dem Eintreffen des Briefes war sie direkt auf ihr Zimmer gegangen und hatte ihr neues Kleid angezogen. Es war wirklich töricht, um wie viel besser sie sich darin gefühlt hatte … beinahe hübsch. Sie hatte fast damit gerechnet, dass jemand eine Bemerkung darüber machen würde.
    Warst du vielleicht krank?
    Sie fand den Stein wieder und trat so fest dagegen, dass ihr Zeh schmerzte.
    Wirklich, Whit war ungefähr so scharfsichtig wie ein … nun, sie wusste es nicht genau. Etwas Blindes und Taubes. Zu dumm, dass er nicht obendrein auch noch stumm war.
    Mirabelle blieb stehen, um tief durchzuatmen und sich zu beruhigen. Es war zwecklos, sich wegen einer kleinen Bemerkung derart aufzuregen. Vor allem, wenn besagte Bemerkung von Whit kam. Es war nicht annähernd die schlimmste Beleidigung, mit der er sie je bedacht hatte, und dass sie sich wegen einer so kleinen Kränkung so ärgerte, führte nur dazu, dass sie sich … nun, noch mehr ärgerte.
    Sie drehte sich um und trat durch eine Nebentür ins Haus, machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer und versuchte, ihre verworrenen Gefühle zu ergründen. Es war nicht nur Ärger, begriff sie. Da waren auch Gekränktheit und Enttäuschung. Er hatte einfach nur dagestanden, mit diesem typischen, schiefen, unbekümmerten Grinsen, dessentwegen die Hälfte der vornehmen Welt in ihn verliebt war, und für einen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt, er würde etwas Freundliches sagen. Aus Gründen, die sie lieber keiner genaueren Betrachtung unterzog, hatte sie sich sogar gewünscht, er würde etwas Freundliches sagen. Etwas wie: »Oh, Mirabelle …«
    »Oh, Mirabelle, was für ein hübsches Kleid!«
    Mirabelle wirbelte herum und sah Evie Cole hinter sich aus einem Raum treten. Evie war eine üppige junge Frau mit hellbraunem Haar und dunklen Augen, und man hätte ihre Erscheinung als reizend beschreiben können, wäre da nicht das leichte Hinken gewesen und die lange, dünne Narbe, die sich von der Schläfe bis zum Kinn zog, beides Spuren eines Kutschenunfalls in ihrer Kindheit.
    Zwar war es außerhalb der Familie nicht bekannt, doch es war eben dieser Unfall, der Evie nach Haldon Hall geführt hatte. Ihr Vater – Whits Onkel – war in jener Nacht gestorben, und ihre Mutter – die dem Vernehmen nach ihrem Kind gegenüber ohnehin nicht sonderlich aufmerksam war –, hatte beschlossen, in Trauer zu versinken, anstatt sich um das Wohl ihrer Tochter zu kümmern. Evie zufolge hatte Mrs Cole Lady Thurstons Angebot, Evie auf Haldon großzuziehen, nur allzu bereitwillig angenommen.
    Nach Jahren der Vernachlässigung war es kaum überraschend, dass Evie bei ihrer Ankunft ein sehr schüchternes Kind war. Es hatte Monate gedauert, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Als das endlich gelungen war, hatte Mirabelle zu ihrem Erstaunen kein sittsames und bescheidenes kleines Mädchen vorgefunden, sondern einen eigensinnigen Blaustrumpf. Evie hatte eine unglaubliche mathematische Begabung und außerdem das gegenwärtig noch geheime Ziel, die weibliche Bevölkerung der Welt – oder zumindest Englands – von der Unterdrückung durch die Unterart zu befreien, als die sie das männliche Geschlecht bezeichnete. Kurzum, sie war eine Radikale.
    Außerdem war sie unbeirrbar loyal, von listiger Klugheit und seltsamerweise auch modebewusst. Es war kaum wahrscheinlich, dass Evie ein hübsches neues Kleid an einer Freundin übersehen hätte.
    Unwillkürlich strahlte Mirabelle über das ganze Gesicht.
    »Heißt das, dein Onkel hat sich endlich einmal großzügig gezeigt?«, erkundigte sich Evie und zupfte an dem lavendelfarbenen Ärmel.
    »Wo denkst du hin«, sagte Mirabelle verächtlich.
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