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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland
Autoren: Arto Paasilinna
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Kanal. Es schien, als würde Emilia zum Abschied ein paar Schritte Trepak tanzen.
    BIS ZUM RÜSSEL
    IM MARMELADENFASS
    Emilia war also in Mustola auf Armas Toivonens Schiff Marleena geladen worden, das durch den Saimaa-Kanal in den Finnischen Meerbusen und von dort über die Ostsee nach Rostock fuhr. Hier stiegen Emilia und ihre Begleitung um auf einen großen internationalen Frach-ter mit Zielhafen Port Elizabeth in Südafrika, von wo die Fahrt weitergehen sollte zum Naturpark Addo, der etwa zwei Meilen von der Küste landeinwärts lag.
    Unterwegs nahm das Schiff in Brest zwischen Ärmel-kanal und Biskaya eine schwere Ladung Bahnschienen auf, die nach Port Elizabeth sollten. Für die Zeit der Verladung wurde Emilia aus dem Frachtraum und auf den Kai gehievt, wo Lucia und Busfahrer Heikki Moilanen sie wuschen und ihr drei Eimer Äpfel zu fres-sen gaben.
    In der Biskaya war es überraschend ruhig, und das passierte nur einmal in zehn Jahren, erklärte der Kapi-tän des Schiffes Lucia. Er fand, dass der Elefant gute Bedingungen im Frachtraum hatte, denn dank der schweren Bahnschienen hatte das Schiff jetzt eine be-sonders stabile Lage.
    In Emilias Frachtraumabteil standen vierzehn Tonnen Marmelade, die schon in Rostock eingeladen worden waren, es handelte sich um Pappfässer mit je zweihun-dert Litern Fassungsvermögen. Mit ihrem sensiblen Rüssel witterte Emilia den leckeren Inhalt und öffnete zur Probe eines der Fässer, was ohne weiteres klappte. Ach, wie herrlich die Marmelade schmeckte!
    Emilia fraß drei Fässer leer, beschmierte sich in der Dunkelheit des Frachtraumes gründlich, schlief glück-lich ein und erwachte erst, als jemand von der Mann-schaft die Ladeklappe öffnete, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Sie stand auf und bewunderte die Schönheit des Stillen Ozeans, die noch betont wurde durch die Mondsichel, die am Himmel aufgetaucht war. Leichte Wellen wiegten das Schiff, das mit seiner schwe-ren Ladung dahinfuhr. Emilia geriet in romantische Stimmung. Sie war sensibilisiert wie ein Wildtier oder ein Dichter, hob den Rüssel zum sternklaren Himmel hoch und stieß ein flötenartiges Geheul aus. Lucia erwachte in ihrer Kabine und eilte zu Emilia. Die schlang ihren Rüssel um die Zirkusprimadonna, sie küsste ihre liebe Pflegerin und stieß zärtliche Laute aus. Lucia streichelte ihre Rüsselhaare. Ein jeder genoss die Gesellschaft des anderen und das herrliche nächtliche Meer. Emilia begann zu heulen wie ein Hund oder ein Wolf, ganz leise, und Lucia stimmte ein.
    Mannschaft und Kapitän versammelten sich, um den Tönen zu lauschen, und alle lobten Emilias melodiöses Geheul. An der Backbordseite des Schiffes tauchten Delfine auf, die ebenfalls dem Geheul der Zirkusprima-donna und des Elefanten lauschten, sie spielten im Wasser und stießen ebenfalls ihre eigenen seltsamen Töne aus. Es klang wie Hundegebell, so als kämen die Töne von Robben. Emilia und die Delfine konzertierten bis zum Morgengrauen.
    Erst zwei Tage später, im Hafen von Porto in Portugal, entdeckte die Mannschaft, dass Emilia von oben bis unten voller Marmelade war. Drei Fässer waren leer, und sie begann bereits mit dem vierten. Schleunigst wurde sie aus dem Frachtraum gehievt. Lucia schalt sie
    für ihr Verhalten, aber der Kapitän verzieh ihr und meinte, dass man für die Streiche von Tieren Verständ-nis haben müsse. Wieder einmal wurde Emilia gewa-schen, und die Marmeladenfässer wurden in einem anderen Raum untergebracht. Auf dem Rest der Fahrt bekam Emilia nur Wasser und das Heu, das noch aus Lemi stammte.
    Das Schiff lief in den frühen Morgenstunden in Port Elizabeth ein. Im Hafen der Stadt kam es zum gefähr-lichsten Vorfall der ganzen Reise. Die Ratten des Schif-fes hatten natürlich gemerkt, dass im Frachtraum außer Bahnschienen noch jede Menge von der leckeren Mar-melade vorhanden war, die Emilia verschmiert hatte, und weil sie Allesfresser sind, veranstalteten sie ein fröhliches Schlemmermahl. Von der Marmelade gerieten sie dermaßen außer Rand und Band, dass sie all ihre Vorsicht vergaßen und im dunklen Laderaum über Emilias Rücken und Rüssel liefen. Die war über diese Unverschämtheit erzürnt und versuchte die frechen Luder abzuschütteln, aber es half nichts. Im Stockdun-keln vermag ein großer Elefant nichts auszurichten gegen Hunderte flinker, vom Marmeladenfest wild ge-wordener Ratten. Schließlich verlor Emilia völlig die Beherrschung und versuchte die Ordnung auf dem Schiff durch rohe Gewalt
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