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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Grytten
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dass ich eine Waffe habe. Harold M. Lunde entgegnete, dass sie zurückkämen. Torpedos kämen immer zurück. Torpedos operierten nicht in der Finanzwirtschaft, sie seien keine Träumer, sie seien Realökonomen. Werte müssen zu Materie werden, zu etwas Handfestem, und wenn sie nichts Festes und Physisches in die Hände bekommen, kehren sie immer wieder zurück. Ich will nicht, dass Marny aufgrund deiner Fehleinschätzungen so etwas ausgesetzt wird, sagte Harold. Bist du enttäuscht von mir?, fragte Arvid. Ich bin nicht enttäuscht, ich versuche dir nur zu helfen. Dann hilf mir, sagte Arvid Lunde. Wie viel brauchst du? Arvid zögerte. Fünfzigtausend vielleicht, oder hunderttausend? Der Vater ging in die Garage, setzte sich in seinen Saab und fuhr davon. Eine Stunde später kam das Auto zurück. Der Vater hatte das Geld in einer Rolle, die er Arvid zuwarf.
    Wir wollen dich in unserem Haus nie wiedersehen, sagte Harold M. Lunde.
    So geschah es. Arvid Lunde verschwand aus seinem Elternhaus in die Randzone der Geschichte. Offen gestanden, hatten wir geglaubt, das sei das Ende der Geschichte, das sei das Letzte, was wir von dem Kerl zu hören bekämen. Die Achtziger waren Arvid Lundes Jahrzehnt gewesen, jetzt gingen sie ihrem Ende entgegen, es war an der Zeit, das Hemd zu wechseln, einen neuen Anzug anzuziehen. Ob es einem gefiel oder nicht, die Achtziger waren das Jahrzehnt gewesen, in dem niemand mehr an Gott oder die Sozialdemokratie oder die Beatles glaubte, alle glaubten nur noch an sich. Arvid Lunde hatte an sich geglaubt, er hatte an alle geglaubt, die an ihn geglaubt hatten. Es hatte nicht funktioniert. Ende der Geschichte. Aus und vorbei.
    Doch im Sommer 1989 machten neue Gerüchte über Arvid Lunde in Odda die Runde. Der Mann war in den Straßen von Oslo erneut mit Grace an seiner Seite und dem Sohn auf seinen Schultern gesichtet worden. Er war ganz offensichtlich wieder zu Geld gekommen. Das sah man an seinen Anzügen, das sah man an seiner Frau, das sah man an ihm selbst. Er lächelte und sang vor sich hin, wenn sie die Karl Johans Gate hinunterliefen. Seine Schuhe glänzten wie nie zuvor. Der helle Anzug saß wie angegossen. Er musste zu Geld gekommen sein, sonst wäre die Frau wohl kaum an seiner Seite, das war das sicherste Wetterzeichen von allen. Arvid Lunde musste wieder angefangen haben, an der Börse zu zocken, er hatte bestimmt neue Gewinner ausgemacht, auch wenn es unwahrscheinlich schien, denn trotz des großen internationalen Wachstums herrschte in der norwegischen Wirtschaft Krise. Der Privatkonsum war zum dritten Mal in Folge zurückgegangen, die Bruttoeinnahmen auf dem norwegischen Festland gingen deutlich zurück, und wir hatten die höchste Arbeitslosenrate seit dem Krieg. Die Yuppie-Zeit war definitiv vorbei, jetzt hatten wir die Rechnung auf dem Tisch. Arvid Lunde musste eine Möglichkeit entdeckt haben, den Markt zu schlagen. Wieder einmal hatte er sich neu erfunden und Geld in Bewegung versetzt.
    An einem regnerischen Septemberabend stürmten zwei der Bjånesøy-Brüder in den Schmelzer . Sie forderten uns auf, die Abendnachrichten einzuschalten. Der Wirt kam dem Wunsch der Brüder nach, er nahm die Fernbedienung und drückte auf NRK . Alle starrten auf den Beitrag über die Unruhen in Ungarn und die Voyager 2, die an diesem Abend am Neptun vorbeigeflogen war und Geschichte geschrieben hatte. Ausschalten!, rief Ola Dunk. Jetzt kommt’s!, sagte einer der Bjånesøy-Brüder und zeigte auf den Bildschirm. Jetzt kommt’s! Die Oslobank in Frogner war überfallen worden, und der Bankräuber war mit fast 200 000 Kronen geflüchtet. Die Polizei hatte keine Spur, aber eine Theorie, wonach es sich um denselben Täter handelte, der schon drei andere Filialen in Oslo überfallen hatte. Der Mann war von der VG rasch Räuber-Ronald getauft worden, weil er beim Betreten einer Bank jedes Mal eine Ronald-Reagan-Maske vorm Gesicht hatte. Jedes Mal ging er mit einem kleinen Zettel zum Schalter: KEIN SCHERZ! Ein paarmal hatte er seine Pistole gezeigt, um die Banker anzutreiben, die auf seine Wünsche nicht schnell genug reagiert hatten. Jedes Mal benutzte er einen Jutesack, den das Personal mit Geld füllen musste. Dann verließ Räuber-Ronald die Bank und verschwand. Alles war innerhalb von ein oder zwei Minuten vorbei, er war immer allein, und nach allem, was die Polizei wusste, verschwand er immer zu Fuß. Der Mann war einmal observiert worden, wie er vom Tatort wegrannte, aber niemand konnte die
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