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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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würden Ihr Versprechen halten, aber ihm traue ich nicht!« erklärte die Frau mit einer Heftigkeit, die ihr Alter Lügen strafte.
      »Wenn Sie ihm nicht trauen, hat es keinen Sinn«, sagte Vater. »Bei einer solchen Sache muß man darauf vertrauen, daß der andere Wort hält.«
      »Rabbi, Ihnen vertraue ich.«
      Der grauhaarige Mann stand die ganze Zeit dabei, und seine Miene sagte: Wie immer es läuft, ich kann gut ohne diese Frau auskommen … Er trug einen wattierten grauen Kaftan, eine Plüschkappe, ein rotes Halstuch und Lederstiefel, die unverwüstlich aussahen. Seine von Äderchen überzogenen roten Wangen zeigten deutlich, daß er gerne trank und voller Lebenssaft war. Er holte eine Schnupftabakdose heraus, schüttete sich eine Prise in die Hand und zog sie durch seine behaarten Nasenlöcher tief ein. Er nieste nicht einmal. Wir Chederschüler sagten immer, nicht zu niesen sei ein sicheres Zeichen, daß der Tabak direkt ins Gehirn ging …
      Schließlich setzten sie einen Vertrag auf, und der Mann unterschrieb. Als er vorschlug, den Abschluß mit einem Glas Schnaps zu besiegeln, schickte die Alte mich hinunter, um eine Flasche und Eierküchel zu besorgen. Der Mann schenkte sich ein großes Glas ein, und die Frau selber trank auch eins. Vater trank nicht. Der Mann, der Kaddischbeter, füllte sich das Glas zum zweitenmal und rief: »Jetzt haben Sie einen, der für Sie Kaddisch sagt – mögen Sie noch hundertzwanzig Jahre leben!«
      Die Alte schüttelte den Kopf. »Wozu ist mein Leben nütze?«
      Sie hatte vorgehabt, meinem Vater hundert Rubel Vorschuß zu zahlen, doch dem Alten gab sie nur fünfundzwanzig und versprach, der Rest werde nach ihrem Tod beglichen. Der Alte willigte in alles ein und verschwand dann.
      Die Frau blieb noch; sie kam in die Küche und deutete Mutter an, daß sie mit dem Handel nicht zufrieden war. Sie habe kein Vertrauen zu diesem Menschen. Meine Mutter hörte sie an und sagte: »Das beste ist, für sich selbst Kaddisch zu sagen.«
    »Wie soll das denn gehen, meine Liebe?«
      »Man tut gute Werke. Man betet. Man wahrt Jüdischkeit. Man spricht nicht schlecht von anderen. All das ist besser als das beste Kaddisch.«
      Die Alte sann darüber nach und ging dann.
      Einige Monate vergingen. Plötzlich öffnete sich die Tür, und die Alte humpelte herein, schwarz wie eine Krähe. Selbst ihre Nase glich einem Krähenschnabel.
      »Rebbezin, ich bin hereingelegt worden.«
      »Was ist passiert?«
      »Stellen Sie sich vor, dieser dämliche Windbeutel will heiraten.«
      Offenbar wollte der alte Mann, ihr Kaddischbeter, ein Miststück heiraten, das auf dem Markt faulige Äpfel verkaufte.
      Im ersten Augenblick war Mutter überrascht, dann fragte sie: »Was ist daran so schlimm? Er hat Ihnen versprochen, Kaddisch zu sagen, und wird das auch tun.«
      »Seine Frau wird es nicht zulassen.«
      »Warum nicht?«
      »Weil sie ein Biest ist.«
      Die Frau bestand darauf, daß wir ihren Kaddischbeter holten. Ich mußte nicht allzuweit laufen, denn das Ganze spielte sich in unserem Hof ab. Der Mann saß im Bethaus und erzählte Geschichten. Er kam sofort mit. Kaum erblickte er die Alte, funkelten seine Augen.
      »Was will sie diesmal?«
      Die Alte erklärte, da er heiraten wolle, reue sie der ganze Handel.
      »Reue und Geschäft sind zwei Paar Stiefel«, erwiderte der alte Mann.
      Die Alte wollte ihre fünfundzwanzig Rubel zurück, aber der Mann sagte, er habe sie schon ausgegeben. Er scharrte ungeduldig mit den dickbesohlten Lederstiefeln. »So ein Schlamassel!« entfuhr es ihm.
      Es war kein einfacher Rechtsstreit. Der Mann stritt nichts ab. Er hatte das Geld schon verbraucht. Er hatte mit der Alten nicht vereinbart, daß er nicht heiraten dürfe. Für einen Vergleich war kein Raum, weil der Mann nicht willens war, auch nur eine einzige Kopeke zurückzuzahlen. Vater sagte, die Heirat des Mannes sei kein Hindernis, Kaddisch zu sagen. Wie sollte denn das eine mit dem anderen zu tun haben? Aber die Alte war wütend. Ihr Gebrummel und Gemurmel verhieß nichts Gutes. Sie starrte den Mann finster an. Mir kam es vor, als wolle sie ihn mit dem bösen Blick verhexen und ihn vernichten.
      »Ich werde mir jemand anderes suchen müssen«, rief sie.
      »Warum denn? Ich werde für Sie Kaddisch sagen.«
      »Ich will Ihr Kaddisch nicht.«
      »Dann eben nicht.«
      »Das Geld, das er von mir hat, wird ihm Unglück bringen«, prophezeite
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