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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Autoren: Anthony Bourdain
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angestrengt hatte, dann hatte ich ihn als Mensch enttäuscht - und nicht umgekehrt.

    Nein. Ich mochte und respektierte instinktiv jeden, der kochte oder in einem Restaurant servierte und der diese Arbeit gern machte. Das ist auch heute noch so. Es ist die beste, nobelste Arbeit, die nur von den Besten gemacht wird.
    Gut. Auf Vegetarier bin ich immer noch wütend. Das ist keine Masche von mir. Ich habe nichts gegen sie persönlich - aber gegen Vegetarier allgemein. Zu meinen Lesungen kommen erschreckend viele Vegetarier, ja sogar Veganer. Sie haben mich mit ihrem gelegentlichen Sinn für Humor überrascht, haben mich nicht mit Tierblut bespritzt - ein paar haben sich sogar mit mir angefreundet. Ich hatte sogar - um ehrlich zu sein - Sex mit einer Vegetarierin, wissentlich! Aber was ich in den letzten neun Jahren von der Welt gesehen habe, hat meine Wut auf die Vegetarier, die die Nase hochziehen, wenn man ihnen freundlich ein Stück Fleisch anbietet, nur noch verstärkt - es sei denn, es sind Hindus.
    Daheim kann jeder tun und lassen, was er will, aber bei der Vorstellung, wie ein vegetarischer Reisender in seinen Bequemschuhen die Gastfreundschaft (obwohl diese die Essenz lebenslanger Erziehung und Erfahrung ist) beispielsweise eines vietnamesischen Pho-Verkäufers (oder einer italienischen Schwiegermutter) ablehnt, könnte ich laut kreischen vor Empörung.
    Meiner Meinung nach ist kein Prinzip das wert, kein westliches Konzept in der Art von »Haustier oder Schlachtvieh?« rechtfertigt eine so grobe Unhöflichkeit.
    Ich rede oft von der »Großmutterregel« für Reisende. Vielleicht schmeckt einem der Truthahn von der Oma an Thanksgiving nicht. Vielleicht war er viel zu lange im Ofen und ist trocken - und die Füllung ist versalzen und mit gummiartigen
Innereienstückchen versetzt, die man kaum runterkriegt. Vielleicht mag man Truthahn generell nicht. Aber es ist Omas Truthahn . Und Omas Haus . Also muss man den Mund halten und das Zeug essen. Und danach sagt man: »Danke, Oma, aber ja, ich nehme gerne eine zweite Portion.«
    Ich glaube, ich kann es sogar verstehen, dass einem der Wunsch nach einem reinen Gewissen und einem sauberen Darm die natürliche Lust auf Speck verdirbt. Aber es macht mich wütend, wenn man meint, man müsse andere bekehren, vor allem, wenn man im Ausland ist und dort von jemandem eingeladen wird. Ich empfinde es als Glück, als ein unglaubliches, unerwartetes Privileg, durch die Welt zu reisen und die Freundlichkeit von Fremden zu genießen, daher kann ich es überhaupt nicht verstehen, wie jemand eine Einladung zum Essen anders beantworten kann als mit Ja, Ja, Ja.
    Ich habe versucht, Verständnis aufzubringen. Wirklich.
    Ich kann beim Dreh fröhlich fünf Tage lang rein vegetarisch essen - wenn ich in Indien bin. Ich bin auch offen für die gelegentlichen Versuche der anderen Seite, mich von ihrer Sichtweise zu überzeugen.
    Leider enden diese Versuche nicht immer glücklich.
    Ein sehr netter, wirklich liebenswerter Kerl, der Freund eines Produzenten, mit dem ich vor ein paar Jahren zusammenarbeitete, gab sich besondere Mühe, mich - so sanft und undogmatisch wie möglich - auf die andere Seite zu ziehen. Er sah es als eine Art persönliche Mission an, mich zu der Aussage zu bewegen, dass es so etwas wie ein köstliches, rein veganes Mahl gibt. Ich möchte noch einmal sagen, er war ein wirklich netter Kerl, der sich aus einer tief sitzenden Abneigung
gegen Fleisch für diese Ernährungsweise entschieden hatte. Wenn er ein Schweineschnitzel auf dem Teller hatte, sah er, da bin ich mir sicher, in Wirklichkeit einen Golden Retriever, der unter qualvollen Schreien elend verreckt war. Ich kannte seine aufrichtige Liebe zu seinen Hunden - der arme Kerl brach schon in Tränen aus, wenn man ein furchtbares Tierheim am anderen Ende des Landes erwähnte. Ich brachte es nicht übers Herz, sein Angebot abzulehnen. Also ging ich mit ihm ins beste vegane Nobelrestaurant der Stadt, ein Lieblingslokal von Paul McCartney, wie man mir versicherte (nicht unbedingt ein überzeugendes Argument - aber ein Anzeichen dafür, wie ernst es ihm mit seinem Vorhaben war). Das Essen war teuer und akribisch - geradezu kunstvoll - angerichtet und zugegebenermaßen gar nicht so schlecht.
    Bei Bioweinen und einer munteren Unterhaltung gab ich sogar (über meinen Begleiter) einen Vorschlag an »Sir Paul« weiter, der ihn bei seinen öffentlichkeitswirksamen Bemühungen um die Rettung niedlicher Tiere unterstützen könnte.
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