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Ein Baer namens Sonntag

Titel: Ein Baer namens Sonntag
Autoren: Axel Hacke
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solche ein. Auf dem Kutschbock saß ein Bär in Lederjacke und mit einer Mütze, die auch aus Leder war. Er machte »Hüh!«, und die Schweine grunzten und zogen die Kutsche fort.
    So fuhren wir durch einen großen Park mit einem See. Am Rande des Sees stand ein Eisbär neben einem Schild, auf dem stand: »Eisschollen zu vermieten!« Andere Eisbären drückten ihm Geld in die Pfote und durften dafür mit einer Eisscholle auf den See hinaus rudern. Und manche von ihnen hatten große Lutscher, die aussahen wie Pinguine. Daran leckten sie mit roten Zungen, lutschten und lachten.

    Am Rand des Parks stand das Haus, in dem der Bär wohnte, der mich gekauft hatte. Er stieg mit mir aus dem Schweinekutschentaxi. Unten im Haus waren Geschäfte, ein Bambusladen, in dem ein Pandabär stand, der rief: »Bambusspitzen, allerfeinste Bambusspitzen!« Daneben war ein Fischgeschäft, und ich sah, wie ein großer Grizzlybär, der eine weiße Schürze umgebunden hatte, mit seiner Pratze einen dicken Fisch aus einem Wasserbecken holte.
    Der Bär wohnte im dritten Stock. Oben in der Wohnung kam ihm seine Frau entgegen. Der Bär nahm mich aus seiner Einkauftstüte. »Ach, ist der süüüß!«, rief die Bärenfrau. Sie küßte mich mit ihrer Bärinnenschnauze und roch dabei nach Honig, oooh, roch sie guuut nach Honig. Ich wünschte, sie würde nie aufhören, mich zu küssen, so guuut roch sie nach Honig.
    Die Bärin nahm mich und wickelte mich in Geschenkpapier. Es war ein weiches Geschenkpapier und kitzelte in der Nase. Ich musste niesen, als ich schon eingewickelt war, und das Geschenkpapier wäre beinahe geplatzt. Dann schlief ich ein.
    Als ich aufwachte, hörte ich, wie der Bärenmann und die Bärenfrau sangen, jawohl, sie sangen. »Happy Bärthday ToYou, Happy Bärthday, Dear Sonntag, Happy Bärthday To You!« Ich fühlte, wie ich in meinem Geschenkpapier plötzlich hochgenommen wurde. Jemand riss das Papier auf, und plötzlich sah ich einen kleinen Bären, der mir sehr bekannt vorkam. Ich wusste nur in dem Moment nicht, warum.
    Der kleine Bär schaute mich an und rief: »Oh, ist der aber schööön!« Dann umarmte er mich. Er drückte sein weiches Fellgesicht an meines. Er drückte seine kühle Bärenschnauze an meine Nase. Und überhaupt hatte er mich anscheinend sehr lieb. Immerzu rief der kleine Bär, wie lieb er mich habe. Er nahm mich auf den Arm und tanzte mit mir durch das Zimmer.
    »Wie soll denn dein kleiner Junge heißen, Sonntag?«, fragte die Bärenmutter. Der kleine Bär antwortete aufgeregt: »Er soll… ähm… ähm… Er soll Axel heißen.«
    Da war ich sehr zufrieden, weil ich nämlich wirklich Axel heiße, und weil der kleine Bär mir zufällig genau den richtigen Namen gegeben hatte.
    Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen. Was immer der kleine Bär namens Sonntag auch machte, ich war dabei. Ich bekam von seiner Geburtstagstorte zu essen. Ich saß nebenihm im Sandkasten, als er im Sandkasten spielte. Ich wurde auf den Gepäckträger geklemmt, als Sonntag Fahrrad fuhr. Und als er zum Klo ging, saß ich neben ihm auf einem kleinen Topf.
    Als der kleine Bär abends ins Bett ging, musste ich neben ihm liegen. Sonntag machte die Augen zu und legte die Arme um mich und streichelte mich und fühlte, ob ich da war. Dann stupste er seine Nase an meine Haut und roch, ob ich da war. Dann hielt er sein Ohr an meinen Bauch und horchte, ob ich da war. Und als er das alles gemacht hatte und ganz sicher war, dass ich auch wirklich neben ihm lag – da schlief Sonntag ein.
    Und dann?
    Na, da war der Traum zu Ende, und ich wachte auf. Als ich aufgewacht war, sah ich, dass der kleine Bär neben mir lag wie jeden Abend und jeden Morgen, obwohl er doch gestern Abend noch am Wäscheständer gehangen hatte. Irgendwie war er in der Nacht herübergekommen. Er roch ganz frisch gewaschen und war immer noch ein bisschen feucht.
    Aber das machte mir überhaupt nichts aus.

    D IE A UTOREN :
    A XEL H ACKE , geboren 1956, lebt als Schriftsteller und Journalist in München. Von 1981-2000 arbeitete er als Reporter und Streiflichtautor bei der Süddeutschen Zeitung. Seine journalistische Arbeit wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet: Josef-Roth-Preis (1987), Egon-Erwin-Kisch-Preis (1987 und 1990), Theodor-Wolff-Preis (1990). Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt.
    M ICHAEL S OWA lebt seit seiner Geburt im Jahre 1945 in Berlin. Nach Abschluss eines Kunstpädagogikstudiums 1975 freier Maler und Zeichner. 1995 wurde er mit dem
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