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Ein Baer namens Sonntag

Titel: Ein Baer namens Sonntag
Autoren: Axel Hacke
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und uns den Leuten zu zeigen. Dann wurden wir herausgenommen und vorgeführt.
    Es gab Bärenväter, die einen kleinen Jungen zum Spielen für ihren Bärensohn haben wollten. Es gab Bärenomas, die für ihre Enkelin ein kleines Mädchen zum Schmusen suchten. Und es gab kleine Bären, die ein Kind für sich selbst kaufen wollten und immer wieder das Taschengeld in ihrer Hand zählten, ob es auch reichen würde.
    Manchmal wurde einer von uns verkauft, und wir winkten ihm zum Abschied verstohlen zu, wenn er von uns ging.
    Einmal kam eine alte Bärentante, die nach Parfum roch. Sienahm mich in den Arm und knuddelte mich so fest, dass ich fast nicht mehr atmen konnte.

    »Oh nein!«, dachte ich und schnappte nach Luft. »Hoffentlich nimmt die mich nicht mit.«
    Ein anderes Mal kam ein Eisbärenonkel, so einer mit weißem Fell, weißt Du. Er roch nach Schnaps und warf mich hoch in die Luft. Dann fing er mich nicht wieder auf, ich knallte auf den Boden, und mir brummte der Kopf. Manche Bären sind aber auch zu blöd, ich sag’s Dir ehrlich.
    »Oh nein!«, dachte ich. »Ich will nicht zu so einem blöden besoffenen Bärenonkel.«
    Dann kam auch einmal ein Ehepaar mit einem kleinen fetten Sohn, den sie Pupsilein nannten. Pupsilein aß die ganze Zeit Gummi-Menschlein aus einer Tüte. Dann nahm er mich in seine kleinen dicken Arme und sabberte mich mit seiner Spucke voll, sabber, sabber, sabber.
    »Oh nein!«, dachte ich. »Ich will nicht immerzu von einem kleinen fetten Pupsilein vollgesabbert werden.«
    Ich hatte Glück. Keiner von diesen kaufte mich, und so stellte mich Herr Spielbär abends wieder mit der Schachtel ins Regal. Darüber war ich froh, denn das Leben imSpielzeuggeschäft war schön. Abends, wenn der alte Bär seinen Laden abgeschlossen hatte und mit dem Papagei nach hinten in seine Wohnung gegangen war, hoben wir Kinder den Deckel unserer Schachtel hoch und kletterten hinaus. Dann holten wir uns aus den anderen Schachteln Spielzeug und spielten, was immer wir wollten.

    Wir fuhren mit Spielzeugautos umher. Kochten uns Essen auf dem Herd eines Puppenhauses. Ritten auf Spielzeugelefanten. Und so weiter. Manchmal schafften wir das Aufräumen nicht mehr, bevor Herr Spielbär morgens in seinen Laden kam.
    Er durfte uns ja nicht sehen. Er durfte nicht wissen, dass wir heimlich spielten.
    Wir huschten in unsere Schachtel zurück, wenn wir ihn kommen hörten, und mussten etwas Spielzeug auf dem Boden oder dem Tresen liegen lassen. Dann brummte Herr Spielbär, schüttelte seinen dicken Kopf und räumte alles auf, und der Papagei schrie:
    »Saubääären! Aufrrräääumen! Rrräääumbääären! Sauhaufen!«
    »Halt den Schnabel!«, knurrte Herr Spielbär dann und fletschte plötzlich seine Zähne wie ein wilder, gefährlicherBär. Der Papagei kreischte und flog nach oben in das allerhöchste Regal. Wenn es wieder ruhig war, schliefen wir in unseren Schachteln, bis die ersten Leute kamen.

    Aber eines Tages wurde auch ich verkauft. Ein Bärenvater kam in das Geschäft und ließ sich alle Kinder zeigen. Als er mich sah, lächelte er gleich, nahm mich in die Hand und sagte: »Der gefällt mir. Den nehme ich.«
    »Er kostet 79,80 Mark«, sagte Herr Spielbär. Ich dachte noch, dass ich gar nicht gedacht hätte, dass ich 79,80 Mark kostete, sooo viiiel Geld. Aber da steckte ich schon mit dem Kopf voran in einer Einkaufstüte. Gerade guckten meine Beine noch oben heraus. Der Bärenvater nahm die Tüte und ging hinaus.
    Draußen auf der Straße rappelte ich mich mühsam zurecht, langsam, langsam, damit der Bär nichts merkte, so lange, bis nicht mehr meine Füsse oben aus der Tasche guckten, sondern mein Kopf.
    Ich war ja bisher nur in dem Spielzeuggeschäft gewesen, nirgendwo sonst, niemals draußen. Zum erstenmal sah ich das Land der Bären, und ich kann Dir sagen: Ich habe gestaunt. Überall waren Bären, Bären mit Hüten, Bären mit Mänteln,Bären mit Aktentaschen, Bären auf Fahrrädern, Bären mit Skateboards, Bärenliebespaare, Bären in einer bimmelnden Trambahn…

    Wir gingen durch die Straßen. Ein Bär führte einen kleinen Tiger an einer Leine durch die Straßen. Der Tiger schnupperte an mir, und ich bekam große Angst. Beinahe hätte ich laut geschrien, aber der Bär, der mich gekauft hatte, verscheuchte den Tiger mit einer Bewegung seiner Tatze.
    Dann kamen wir zu einem Taxistand. Die Taxis im Bärenland waren keine Autos, es waren Kutschen, vor die jeweils vier Schweine gespannt waren. Wir stiegen in eine
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