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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
Autoren: Kurt Krömer
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doch nicht über das Töten anderer Menschen an die Macht kommen. Das kann es nicht geben! Eigentlich dürfte man gar nicht mit ihnen reden, eigentlich müsste man einfach weiter gegen sie kämpfen.

    Was Modschaddedi gestern sagte, hat mich wirklich fasziniert. Man muss den pakistanischen Geheimdienst rausdrängen. Ihn unter Druck setzen, dass tatsächlich diesen Radikalen keine Bleibe geboten wird. Fanatismus kommt meistens nicht aus Afghanistan. Unsere Nachbarn haben natürlich auch ihre politischen Ziele. Und diese Länder bekommen Unterstützung, weil sie dort Militärstützpunkte erlauben. Ich frage mich eigentlich, warum die Weltgemeinschaft denen gegenüber nicht aufsteht und sagt: Leute, das geht nicht! Ihr tötet nicht nur euch selbst, ihr tötet die Weltgemeinschaft mit. Psychologisch tötet ihr die Weltgemeinschaft.

    KK: Wie groß ist heute der Einfluss, die Macht der Taliban in Afghanistan?

    Bahram: Als die Russen aus Afghanistan rausgingen, fing der Bürgerkrieg an. Vier Jahre lang befanden sich die Afghanen in einem wirklich grausamen Bürgerkrieg. Dann waren da diese jugendlichen Afghanen, die sich Taliban nannten. Taliban bedeutet eigentlich Schüler. Die waren Koran-Schüler und sind tatsächlich mit weißen Fahnen durch Afghanistan gegangen mit dem Versprechen, wir bringen euch Sicherheit.
    Man kann sich das so vorstellen: Du bist in einem Land, in dem Bürgerkrieg herrscht, und dann kommen riesige Gruppierungen und versprechen Sicherheit … dann gibst du denen doch eine Chance.
    Nachdem die Taliban sich dann etabliert hatten – was heißt etabliert: als sie gut 80 Prozent von Afghanistan übernommen hatten, waren auf einmal Al Kaida und Osama bin Laden an der Macht. Nicht nur die Taliban.
    Und wir, oder genauer, die afghanische Regierung hat damals den Fehler gemacht, Osama bin Laden aus dem Sudan hierher nach Kabul einfliegen zu lassen. Der hat sich dann mit den Taliban zusammengeschlossen, und auf einmal hat er die Macht gehabt. Er hatte Geld und sagte den Taliban: Wir sind Brüder, der Islam hat keine Grenzen, der Islam kennt keine Nationalitäten, und ich bin für euch da. Er hat hier Al Kaida gegründet. Und da hat natürlich alles einen völlig anderen Sinn bekommen – das, was wir hier erlebt haben, was sie gemacht haben mit diesem Land in den letzten zehn, fünfzehn Jahren. Oder was sie immer noch machen.
    Als die Afghanen begannen, Widerstand gegen Russland zu leisten, haben die Amerikaner afghanische Kinder und noch dazu pakistanische Kinder, Paschtunen, in diese Madras-Schulen geschickt. Die Kinder haben dort den Koran auswendig gelernt, und man hat sie im Umgang mit Waffen ausgebildet. Man hat sie sich praktisch als grausame Krieger »herangezüchtet«. Die Kinder erlebten, dass sie tagtäglich ihre Eltern oder Verwandten verloren, sie wurden schnell erwachsen, bis sie schließlich als erwachsene Taliban an die Macht gekommen sind. Das Allererste, was sie als Machthaber veranlassten, waren Verbote: das Verbot, Musik zu hören, das Verbot für Frauen, auf die Straße zu gehen. Dann die Pflicht, als Mann einen Bart zu tragen, und solche Sachen.
    Die Taliban haben sich extrem in das private Leben der Bevölkerung eingemischt. Das alles ist im Koran gar nicht so genau vorgegeben, wie die Taliban es behaupten. Den Islam hatten wir hier in Afghanistan ja auch schon vor den Taliban.

    KK: Hatte das mit Druck zu tun? Wenn ich sehe: Mein Nachbar trägt jetzt einen Bart. Ich bin eigentlich rasiert, aber dann trage ich jetzt auch lieber einen Bart. Seine Frau trägt ein Kopftuch, dann trägt meine jetzt auch Kopftuch?

    Bahram: Viele Menschen haben einfach versucht, so auszusehen wie die anderen oder wie die, die die Macht haben. Das war das Problem.

    KK: Hatten wir ja auch bei uns in Deutschland, dass einer kam und sagte, ich hol euch raus. Arbeitslosenzahl ist hoch … die Welt hasst uns. Und zack, trägt man Uniform und Abzeichen, weil es schön aussieht und weil es dazugehört.

    Bahram: Ganz genau. Die Menschen sind überall gleich. Wie es mit diesem Land oder sämtlichen islamischen Ländern weitergeht, das wissen wir nicht. Das Schlimme daran ist, sieh nur den Arabischen Frühling: Überall, wo Menschen für Rechte und Freiheit demonstrieren, kommen islamisch-radikale Parteien an die Macht. Weil sie offenbar irgendwie sehr schnell Menschen manipulieren können, denke ich. In der islamischen Welt kann man sehr schnell Menschen gegen den Westen aufbringen.
    Aber ist das, was der Westen
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