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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
Autoren: Kurt Krömer
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, frage ich ihn. Seine Antwort ist klar wie simpel. Weil es kalt ist.
    Also lassen wir unsere Schuhe an und werden in einen Warteraum voller altertümlicher Sofas und Sessel geführt. Ich frage mich, wer hier wohl alles schon gesessen hat. Frau Merkel? Herr Westerwelle? Frau Clinton? Herr Putin?
    Wir bekommen von einem freundlichen Herrn Tee serviert. Er schenkt uns ein. Zur Einnahme des Getränks kommt es aber nicht mehr. Wir werden abgeholt und über einen weiteren Hof durch einen neuen Eingang geführt. Hier gibt es noch mal die Möglichkeit, sich seiner Schuhe zu entledigen. Ich schaue Bahram an, der schüttelt den Kopf. Wir gehen weiter und gelangen über eine Art Veranda direkt in das Wohnzimmer von Sibghatullah Modschaddedi. Wieder überall Teppiche. Die Couchgarnitur ist gemütlich, und überall stehen kleine Beistelltische. Auf einem ist ein großer Strauß weißer Blumen platziert. In einer Ecke steht ein bärtiger Wachmann.
    Modschaddedi steht auf und schüttelt uns die Hände. Er sieht freundlich und humorvoll aus.
    Er begrüßt uns auf Deutsch: Herzlich willkommen!
    Außer Bahram und mir sind noch Kleo, La Fee, Tankred, Tabea, Christoph und fünf weitere Wachleute und Bedienstete im Raum. Wir sitzen da und sagen erst mal nichts. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber die Situation ist so: Auf der einen Seite sitzt ein Mann, der sein Leben für die Freiheit seines Landes aufs Spiel gesetzt hat. Ein Mann, dem Zehntausende in einen Krieg gefolgt sind. Die ihm ihr Leben anvertraut haben in der Hoffnung, dass er das Richtige tun wird. Ein Mann, der Gelehrter und Krieger zugleich ist. Einer, der in der Lage war zu erkennen, wann er was durchsetzen kann. Ein Mann, der in der Lage war, seine Feinde trotz deren blutbeschmierter Hände zu begnadigen und der mit sechsundachtzig Jahren immer noch versucht, die wichtigen Männer seines Landes auf einen Friedenskurs zu bringen. Und ihm gegenüber sitzt ein deutscher Komiker.
    Mich jetzt hier über diesen Mann lustig zu machen – danach steht mir nicht der Sinn. Ich könnte auch auf Pseudo-Journalist machen, die Technik beherrsche ich: viel sagen, aber keine Inhalte liefern.
    Das ist ja eine der goldenen Regeln beim Fernsehen: Nie ins Stocken kommen, das Gespräch immer am Laufen halten, sodass ja niemand merkt, dass man dem Thema eigentlich nicht gewachsen ist. Man könnte ja auch nur ein ganz normaler Mensch sein. Da werden dann Pausen mit Fehlermachen gleichgesetzt. Durch die Missachtung dieser goldenen Regel bin ich übrigens im Fernsehen zum Meister der gesetzten Pause geworden.
    Und Pause und Schweigen ist jetzt hier im Büro von Sibghatullah Modschaddedi auch gerade angesagt. Ich weiß nicht, was ich ihn fragen soll!

    Dann stellt uns Tabea erst mal alle vor und bedankt sich für die Audienz. Modschaddedi lächelt. Es würde hier nicht um eine Audienz gehen, sondern um einen Besuch von deutschen Freunden, sagt er. Denn Bahrams Freunde seien ihm immer herzlich willkommen. Wie auf Stichwort bringt ein Angestellter Tee und Poloni.
    Sehr gut, mit vollem Mund spricht man nicht. Das ist jetzt quasi eine entschuldigte Pause.
    Ich denke darüber nach, warum bei ihm ein Kurt Krömer eher einen Interviewtermin bekommt als, sagen wir mal, eine Antonia Rados? Das liegt daran, dass man Komiker in Afghanistan sehr schätzt. Und warum auch nicht, denke ich. Ich bin kein Enthüllungs-Journalist wie Günter Wallraff, kein Schriftsteller wie Ernest Hemingway. Ich bin Kurt Krömer, egal, wie meine Karriere bislang verlaufen ist, im tiefsten Inneren bin ich immer noch das Arbeiterkind aus Berlin-Neukölln. Und sollte ich jetzt versuchen, mich hier als der neue Peter Scholl-Latour zu profilieren, wäre das lächerlich und peinlich. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, müsste meine Frage lauten: Sehr geehrter Herr Modschaddedi, wann ist die ganze Scheiße hier vorbei? – Punkt.
    Aber da ich gelernt habe, dass man in so einer Situation – ich sitze einem gelehrten und weisen Menschen wie Sibghatullah Modschaddedi gegenüber – Kraftwörter vermeiden sollte, lautet meine erste Frage:
    Herr Modschaddedi, wann kann ich mit meiner Familie Badeurlaub in Afghanistan machen?

    Nach dem Interview mit Sibghatullah Modschaddedi

    Modschaddedi schaut mich verschmitzt an. Zuerst bedankt er sich bei allen Deutschen, die bislang, sei es als Soldat oder als Experte, in Afghanistan geholfen haben. Er versichert mir, dass er seit Jahren an meinem Wunsch arbeite und es auch
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