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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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geschäftlich, daß sie persönlich war. Ihm schien es ähnlich zu gehen. Aus der Wirtschaft hörte ich jemanden nach ihm rufen, und so erfuhr ich, daß er Freddy hieß.
    Der Kaffee war ungewöhnlich gut. Aber als ich Freddy rief, um zu bezahlen, machte ich eine peinliche Entdeckung: ich hatte kein Geld bei mir. Am Flughafen und auch im Auto hatte ich die Brieftasche noch gehabt. Wahrscheinlich hatte ich sie dort vergessen – das würde auch die Eile erklären, mit der sich der Chauffeur aus dem Staube gemacht hatte. Dann hatte er prächtig kassiert.
    Ein solches Mißgeschick begegnet mir öfters; ich bin zerstreut, besonders an Tagen, in denen mir die Gedanken wie ein Bienenschwarm durch den Kopf summen. Dann kann es vorkommen, daß ich die Börse auf dem Schalter, vor dem ich Marken gekauft habe, liegen lasse; einmal habe ich sie sogar aus Versehen in den Briefkasten gesteckt. Heut lag zudem der Zeitsprung hinter mir.
    Beim ersten Besuch macht die Zahlungsunfähigkeit besonders verdächtig, andererseits ist eine Tasse Kaffee eine Bagatellsache. Freddy schien meine Verlegenheit eher erfreulich; er enthob mich ihrer mit einer Handbewegung – ja er bot mir sogar Kredit an, und das auf eine Art, als erwiese ich ihm einen Dienst, wenn ich annähme.
    Das gefiel mir; ich bestellte einen zweiten Kaffee und lud Freddy dazu ein. Er setzte sich zu mir, nachdem er das Jackett gewechselt hatte, und wir kamen ins Gespräch, als ob wir uns schon seit Jahren gekannt hätten, wohl gar »in abgelebter Zeit«. Vielleicht hatten wir zusammen als Matrosen auf einem Segler gedient.
    Die Stunden verflossen wie im Traume; ich mußte an den Rückweg denken – das fiel mir plötzlich, als ob ich erwachte, ein. Wenn ich von Freddys Angebot Gebrauch machte und ein Taxi bestellte, kam ich noch zum Flughafen zurecht. Zum Glück steckten Paß und Papiere in der anderen Brusttasche. Aus ihnen ersah ich, daß ich nach Singapur gebucht hatte. Früher war das ein Märchenland; heut ist es der Vorort jeder beliebigen Stadt, in der wir uns gerade aufhalten. Man trifft sich dort bei »Raffles« wie um die Jahrhundertwende im Pariser »Maxim«.
    Als Freddy erfuhr, daß ich am anderen Ende der Stadt zu tun hätte, wollte er mich unbedingt begleiten, und das um so mehr, als heut der Merkur in ungünstiger Position stünde. Das sei schon durch den Streik der Taxifahrer evident.
    Richtig – jetzt fiel mir der Streikbrecher ein. Doch das Wetter war angenehm; ich ließ es auf einen Spaziergang ankommen.
    »Du bist lieb, Freddy – aber ich finde mich auch allein zurecht. Sacré Cœur erspart mir den Kompaß bei Tag und bei Nacht.«
    »Berthy – du kennst nicht das Ödland: die Gärten mit den Fußangeln und Selbstschüssen, die Giftmüllhalden, die überwachsenen Brunnen – wer da hineinfällt, kann dem Licht für immer Ade sagen. Und dann die Penner, die Spanner, die Zuhälter auf dem Verbrecherstrich.«
    So ging es hin und her. Freddy führte immer neue und gewichtigere Gründe an – zuletzt sogar die Möglichkeit von Erdbeben. Terremoto – der Boden sei unsicher geworden, an manchen Stellen sei er zu Dolinen eingestürzt. Zunächst habe man den Katakomben die Schuld gegeben, aber die Ursache reiche viel tiefer hinab. Selbst den Straßen sei nicht mehr zu trauen. Manche verliefen schlangenförmig, andere bildeten Kreise und Spiralen, und das über Nacht.
    Das war gewiß weit übertrieben, wahrscheinlich sogar erfunden, doch Freddy bedrängte mich immer mehr. Es schien, daß ich ihm ein Wunsch geworden war – ein Anliegen. Ich hatte kaum bemerkt, daß wir uns duzten, auch kannte er schon meinen Vornamen: Berthold – so nenne ich mich seit einiger Zeit. Das entspricht meinem Taufschein, aber da ich viele Paten habe, wechsle ich, wenn es mir beliebt, den Vornamen. Mir ist dann, als legte ich einen Overall an, und ich genieße ein bescheidenes Inkognito. Manche halten es für einen verdächtigen Zug. Aber ich achte die Gesetze, wenngleich auf meine Weise: ich kann meinen Taufschein vorzeigen.
    Endlich sagte ich: »Freddy – ich will dir nicht deine Zeit stehlen.«
    »Darauf kommt es nicht an. Ich habe Zeit nach Belieben, sogar im Überfluß, und kann dir davon noch abgeben.«
    Das war ein mantisches Wort. Ich nahm seine Begleitung oder, besser gesagt: seine Führung an. Freddy ging in die Wirtschaft, wo der »Torero« vom Bande lief. Bald kehrte er als Gebirgsjäger mit umgehängtem Seil und Eispickel zurück. Wollte er damit andeuten, daß er nicht
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