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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition)
Autoren: Elisa May
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Verarbeitung ein Meisterwerk. Obwohl
inzwischen schon Mitte März war, musste sich Eva noch an schmale Pfade halten,
an deren Seiten sich noch immer mehr als ein halber Meter Schnee türmte. Der
Winter hatte heuer alles bisher da gewesene übertroffen. In einer einzigen
Nacht waren in einem etwas höher gelegenen Nachbarort mehr als zwei Meter
Schnee gefallen. In Irdning hatten die Bewohner in derselben Nacht immerhin mit
einem knappen Meter Neuschnee zu kämpfen. Der Verkehr in einigen Nebenstraßen war
kurzfristig komplett zum Erliegen gekommen. Für eine Hobby-Fotografin wie Eva
lag in solchen Wetterextremen ein ganz besonderer Reiz. Die Bäume, deren Äste
durch die Last der Schneemassen unerbittlich in die Tiefe gezogen wurden, waren
ein ebenso lohnendes Motiv wie die winzigen Pfotenabdrücke der Eichhörnchen auf einem ansonsten unberührten Schneefeld. Dicke, weiche
Hauben auf den Dächern, verbunden mit den unterschiedlich langen, im Gegenlicht
der Sonne glänzenden Eiszapfen machten die winterliche Idylle perfekt.
    Doch heute verspürte Eva eine unbändige
Sehnsucht nach Frühling. Sie wünschte sich den Geruch von Buschwindröschen und
Himmelschlüssel herbei und freute sich auf die belebende Wirkung der ersten
wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Eva machte einem Pärchen Platz, das eng
umschlungen an ihr vorbei schlenderte. Der Anblick ihrer dicken Jacken, der
Schals und der Stirnbänder ließen Evas Frühlingsträume ganz rasch wieder
verblassen. Die Sonne blinzelte heute zwar ab und zu zwischen den Wolken
hindurch, doch von Wärme war weit und breit keine Spur. Ein eisiges Lüftchen
fegte ihr um die Ohren, während sie den beiden Verliebten hinterher sah. „Wie
schön wäre es jetzt, sich an einen wärmenden Körper zu schmiegen und gemeinsam
den Lenz herbeizusehnen!“, ging es ihr durch den Kopf. Sie dachte an Martin, an ihren Martin. Sie wusste, dass sie
mit ihm glücklich werden würde, auch wenn ihre Freunde diese Meinung nicht
teilten. Irgendwann würde der Tag kommen, an dem Verena und Julian reumütig
einsehen müssten, dass sie Unrecht hatten. Evas Liebe war nicht bloß eine
haltlose Schwärmerei. Martin war vielleicht jetzt noch nicht reif für diese
große Liebe, aber am Ende würden alle erkennen müssen, wie richtig ihre
Entscheidung, auf ihn zu warten, war.
    „Dieser Mann ist eine Nummer zu groß für
dich!“, hatte Verena schon des Öfteren zu ihr gesagt. „Er interessiert sich
doch nicht einmal annähernd für dich!“, hallte die Stimme ihrer Freundin noch
immer in ihren Ohren nach. Natürlich war Eva bewusst, dass Martin alles
verkörperte, was sich Frauen wünschten. Er war ein südländischer Typ mit einem
Lächeln wie ein Sonnenaufgang in Spanien. Dabei war er von großer Statur und
hatte dazu noch einen makellosen, durchtrainierten Körper. Mit seinen perfekt
proportionierten Gesichtszügen, die gleichzeitig energisch und weich wirkten,
schien er einem Cola-Werbespott entsprungen zu sein. Dazu war der Mann auch
noch intelligent und in seinem Beruf als Architekt sehr erfolgreich. „Direkt
kitschig“, fand Eva, während ihr bei diesen Gedanken gleichzeitig wieder
schmerzlich bewusst wurde, dass ihre Freunde zumindest in diesem Punkt nicht
ganz daneben lagen . Sie selbst konnte nicht mit einer
vergleichbaren Wirkung auf Männer aufwarten. Sie war eher der unscheinbare Typ.
Mit ihrer kurzen, knabenhaft frechen, blonden Kurzhaarfrisur und einer Größe
von knapp 1,65 m hob sie sich nicht sehr von der Masse ab. Ihre blauen, mit
dichten, langen Wimpern umrahmten Augen fand sie eigentlich ganz in Ordnung.
Auch an ihrer schmalen, geraden Nase und an ihren vollen Lippen gab es nicht viel
auszusetzen. Gut, es wäre vielleicht endlich einmal an der Zeit, den unentwegten,
zermürbenden Kampf mit der eigenen Körperfülle zu gewinnen. Aber das würde ihr
sehr viel leichter fallen, wenn sie Martin endgültig für sich gewonnen hatte.
    Von ihren Sehnsüchten getrieben, hatte sie
nun keine Lust mehr, noch weiter ihren Selbstzweifeln nachzuhängen. Sie und
Martin allein konnten entscheiden, ob sie für einander geschaffen waren oder
nicht. Er wusste schließlich, dass sie seine Liebe zur Architektur teilte, das
hatte sie schon öfter bei diversen Gelegenheiten anklingen lassen. Außerdem
hatte er wie sie großes Interesse an Kunst und Literatur, und er mochte
Gedichte. Einmal hatte er in Evas Gegenwart sogar Verse von Wilhelm Bush zitiert. „Es gibt genügend Männer, die sich für
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