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Eden Inc.

Eden Inc.

Titel: Eden Inc.
Autoren: Lincoln Child
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Doppelselbstmord. In den zwei Jahren, in denen die Thorpes verheiratet gewesen waren, musste etwas passiert sein. Und zwar etwas, das einem unter die Haut ging, nicht irgendeine kleinere Lebensveränderung oder ein Abrutschen in Richtung ernste Depression. Es musste etwas Grundlegendes gewesen sein, das ihre Freunde und Bekannten nicht einfach hätten übersehen können. Vielleicht würde er ja schon am Ende dieses Tages wissen, was an ihrem Dasein schief gelaufen war. Mit etwas Glück könnte er die Fallstudie bis morgen fertig geschrieben haben. So schnell hatte er noch nie 100.000 Dollar verdient.
    Lash wandte sich vom Fenster ab. Sein Blick schweifte über die Möbel: ein kleineres Piano, ein Bücherschrank, ein Sofa.
    Die paar Sachen ließen den Raum größer wirken, als er war. Das Haus strahlte die übertrieben ordentliche Reinlichkeit aus, die er in den Jahren seit dem Umzug kultiviert hatte. Schlichtheit war zum Bestandteil seines persönlichen Schutzschildes geworden. Gott wusste, dass das Leben seiner Patienten schon kompliziert genug war.
    Lash musterte noch einmal sein Spiegelbild, kam zu der Erkenntnis, dass er nichts an sich auszusetzen hatte, und ging zur Haustür. Er schaute sich um, fluchte ausgiebig, als er sah, dass der Zeitungsbote vergessen hatte, die Times in die Einfahrt zu werfen, und begab sich zu seinem Wagen.
    Eine Stunde des Ringens mit dem Verkehr auf der Interstate 95 brachte ihn nach New London und zum niedrigen, silbernen Schwung der Gold Star Memorial Bridge. Als er vom Freeway abbog, fuhr er auf den Fluss zu und fand in einer Seitenstraße einen Parkplatz. Dann blätterte er noch einmal die auf dem Beifahrersitz liegenden Papiere durch. Es handelte sich um schwarzweiße Porträtaufnahmen des Paares und einige Seiten mit Informationen zur Biografie. Mauchly hatte ihm leider nur rudimentäre Daten über die Thorpes überlassen: ihre Adresse, ihre Geburtstage und Namen sowie die Adressen ihrer Erbberechtigten. Zusammen mit einigen Telefongesprächen hatten sie allerdings genügt.
    Lash spürte schon jetzt einen Anflug von Reue wegen des kleinen Täuschungsmanövers, das er nun durchführen musste. Er redete sich ein, dass er so zu Informationen kam, die sich für seine Ermittlungen bestimmt bezahlt machen würden. Auf dem Rücksitz lag seine Aktentasche, dick gepolstert mit einem Stapel weißem Papier. Er packte sie, stieg aus und machte sich, nachdem er sich noch einmal in der Windschutzscheibe begutachtet hatte, auf den Weg zur Themse.
    Die State Street döste im Licht der sanften Herbstsonne.
    Unter ihr, hinter dem festungsartigen Klotz des Old-Union-Bahnhofs, schillerte der Hafen. Lash ging bergab und hielt an der Stelle an, wo die State am Wasser endete. Dort stand ein ehemaliges Hotel im Second-Empire-Stil mit einem klotzigen Mansardendach; es beherbergte seit kurzem mehrere Restaurants. An der ersten Fensterscheibe machte er ein Schild aus, das für The Roastery warb. Ein der Öffentlichkeit zugänglicher Ort am Wasser war ihm der günstigste Treffpunkt erschienen. Hier war der Bedrohlichkeitsfaktor gering. Unter den gegenwärtigen Umständen hatte Lash ein Mittagessen als unpassend empfunden. Außerdem hatten Studien der John-Hopkins-Universität gerade ergeben, dass Trauernde während der Morgenstunden besser auf externe Stimuli reagieren. Ein Kaffee am Vormittag erschien ihm ideal. Ruhe konnte Gesprächen nur förderlich sein. Lash schaute auf seine Armbanduhr. Genau zehn Uhr zwanzig.
    Das Innere des Roastery verfügte über alles, was er sich erhofft hatte: eine hohe, verzinnte Decke, beigefarbene Wände, das leise Gesumm der Gespräche. Das Aroma frisch aufgebrühten Kaffees lag in der Luft. Er war etwas früher gekommen, um sicherzugehen, dass er auch einen passenden Tisch bekam. Er wählte einen Ecktisch aus, damit er zur Straße hinausschauen konnte, und nahm an der Ecke gegenüber Platz. Für seinen Gesprächspartner war es wichtig, den Eindruck zu gewinnen, dass er die Situation beherrschte.
    Lash hatte kaum Zeit, die Aktentasche auf den Tisch zu legen und es sich bequem zu machen, als er schon sich nähernde Schritte hörte. »Mr. Berger?«, fragte jemand.
    Lash drehte sich um. »Ja. Sind Sie Mr. Torvald?«
    Der Mann hatte dichtes, eisgraues Haar und die ledrige, sonnenverbrannte Haut eines Menschen, der sich gern am Wasser aufhielt. Dunkle Ringe der Trauer umgaben noch immer seine blassblauen Augen. Doch seine Ähnlichkeit mit der Frau auf dem Foto, die sich Lash
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