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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Autoren: Richard Montanari
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bleiben. Sie brauchte das Zimmer nicht zu bezahlen und half dafür als Zimmermädchen aus. In dem Augenblick, als sie aus dem Bus gestiegen war, wusste sie, dass sie nicht für immer bleiben würde, und auch, dass sie nie wirklich fortgegangen war.
    Ihre Mutter streifte den abgetragenen Pullover über, der über der Lehne des Klappstuhls hing. Lucy erkannte ihn wieder. Sie hatte den Pullover vor vielen Jahren bei JC Penney’s gestohlen. Der Pullover war völlig zerschlissen. Ihre Mutter brauchte einen neuen. Lucy nahm sich fest vor, ihn dieses Mal zu bezahlen.
    »Gehen wir spazieren?«, fragte Dottie.
    »Klar, Mama.«
    Im Eingangsbereich half Lucy ihrer Mutter, die Stiefel anzuziehen. Als Lucy die Schleife band, hob sie den Blick. Ihre Mutter lächelte.
    »Was ist?«, fragte Lucy.
    »Das habe ich auch immer für dich gemacht, als du klein warst. Es ist schon seltsam, wie sich der Kreis schließt.«
    Ja, dachte Lucy. Das Leben ist irre komisch.
    Sie gingen Arm in Arm den Weg hinunter zum Stadtpark. Es wurde kühler. Lucy zog den Pullover enger um den Hals ihrer Mutter.
    Der Winter nahte, aber das war okay. Im Grunde, dachte Lucy Doucette, trägt man die Sonne im Herzen. Und jetzt, da sie sich an alles erinnerte, konnte sie anfangen, alles zu vergessen.

106.
    D ONNERSTAG , 25. N OVEMBER
    Sie hatte für zwanzig Personen gekocht. Wie so viele italienische Thanksgiving-Feste begann das Menü mit einem umfangreichen Pasta-Gang. In diesem Jahr hatten Jessica und ihr Vater die frischen Ravioli nach dem Rezept ihrer Großmutter zubereitet, die mit einer delikaten Mischung aus Rind-, Schweine-und Kalbfleisch gefüllt waren.
    Zum ersten Mal half Sophie beim Servieren.
    Um sechs Uhr streckten die Männer im Wohnzimmer alle viere von sich und schnarchten. Die Tradition verlangte, dass sie um halb sieben wieder wach sein mussten, wenn die zweite Runde begann.
    Um zehn nach sechs öffnete Jessica die Haustür. In South Philly wurde überall gefeiert. Sie schaute die Straße in beiden Richtungen hinunter, ohne Byrnes Wagen zu entdecken. Jessica hätte ihn gerne angerufen, doch sie ließ es lieber bleiben. Byrne war jedes Jahr zu Thanksgiving bei ihnen eingeladen, und dieses Mal hatte er vielleicht gesagt. »Vielleicht« bedeutete bei Kevin Byrne in Bezug auf derartige Einladungen normalerweise Nein. Möglicherweise kam er dennoch.
    Jessica wollte die Tür gerade wieder schließen, als sie ein kleines weißes Päckchen auf der Treppe liegen sah. Sie hob es auf, schloss die Tür und nahm es mit in die Küche. In dem Päckchen lag ein Garnknäuel. Grünes Garn. Als sie es ins Licht hielt, sah sie, dass es dieselbe Farbe hatte wie der sonderbare Strickpullover mit Zopfmuster, den Kevin Byrne neuerdings im Roundhouse trug. Er hatte ihr erzählt, dass Anna, Lina Laskaris Großmutter, den Pullover für ihn gestrickt hatte.
    Jessica warf einen Blick auf ihre Familie. Die Männer lagen im Truthahn-Chianti-Koma. Die Frauen kümmerten sich um den Abwasch und rauchten hinter dem Haus heimlich Zigaretten. Jessica stieg die Treppe ins Schlafzimmer hinauf und schloss hinter sich die Tür.
    Sie schnitt ein Stück von dem Garn ab, frisierte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz und band ihn mit dem Garn zusammen. Dann betrachtete sie sich im Spiegel der Frisierkommode. Der Herbst hatte die rötlichen Farbtupfer, die der Sommer immer in ihr Haar zauberte, längst wieder verblassen lassen. Jessica drehte sich zur Seite und erinnerte sich an ihren ersten Schultag, als ihre Mutter ihr Haar mit grünem Garn zusammengebunden hatte. Wie erfüllt von jugendlicher Vitalität und Energie die Welt damals gewesen war.
    Jetzt hätte sie etwas davon brauchen können.
    Als frischgebackene Mutter eines lebhaften, zweijährigen Jungen brauchte Jessica alle Energie und Kraft, die sie aufbringen konnte. Die Unterlagen waren vor einer Woche gekommen, und Carlos Balzano verzauberte in diesem Augenblick unten im Wohnzimmer die ganze Familie.
    Jessica schaute noch einmal auf das Garn in ihrem Haar. Im Grunde war es genauso gut wie das Original.
    Nein, dachte sie, als sie das Licht ausschaltete und die Treppe wieder hinunterstieg. Eigentlich war es noch besser.

Epilog
    Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wo Geräusche sind, ist auch Stille.
    In dem riesigen Konzertsaal herrschte absolute Stille. Wenn man bedachte, dass sich im Verizon Center fast zweitausendfünfhundert Menschen versammelt hatten, war diese Stille nur noch erstaunlicher.
    Als die letzte Note der Sinfonia
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