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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut
Autoren: Katharina Burkhardt
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Monate, bis sie sich wiedertrafen. Mia hatte viel zu lange gearbeitet und hetzte beim Umsteigen am Hauptbahnhof von einem Bahnsteig zum anderen, um trotzdem noch rechtzeitig zu ihrem Fitnesskurs zu kommen. An einer Ecke rannte ein Mann in sie hinein und rammte ihr seine Laptoptasche in den Bauch. Mia taumelte und stürzte fast.
    »Aua!« Sie warf dem Mann einen bösen Blick über die Schulter zu und wollte weiter hasten.
    »He!« Der Mann stoppte sie, indem er nach ihrem Arm griff.
    Was fiel dem Kerl ein? Wollte er jetzt etwa mit ihr darüber diskutieren, wer hier wen angerempelt hatte?
    Kampflustig drehte sie sich um: »Ja?«
    Zu ihrer Überraschung lachte der Mann freundlich.
    »Hallo Mia!«
    Das Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie konnte es nicht gleich einordnen.
    »Frank«, half ihr der Mann auf die Sprünge. »Wir sind uns bei Andreas Party begegnet.«
    »Ach, richtig.« Natürlich, Frank, der Nachbar von Andrea. Den hatte sie mittlerweile längst vergessen. Während sie sich anklagend den Bauch hielt, sagte sie: »Das ist ja eine Überraschung. Was treibst du so, wenn du nicht gerade unschuldige Frauen über den Haufen rennst?«
    »Tut mir echt leid. Aber du kamst angefegt wie ein Tornado, da hatte ich keine Chance mehr, auszuweichen.«
    Sie musterte Frank. Er sah anders aus als beim letzten Mal, aber sie wusste nicht genau, woran das lag. War er schlanker? Trug er eine andere Frisur? Andere Brille? Was auch immer es war, es stand ihm gut und ließ ihn interessanter als bei ihrer ersten Begegnung erscheinen.
    Versöhnlich sagte Mia: »Das mit dem Tornado war aber auch nicht gerade ein Kompliment.«
    »Ähm … nee, nicht so richtig. Aber ich könnte dir ein echtes Kompliment machen.«
    »Dann mal los!« Mia grinste erwartungsvoll.
    Er holte tief Luft, machte eine theatralische Geste und sagte dann: »Gnädigste, Sie sehen heute einfach umwerfend aus!«
    Sie lachten gemeinsam, als sei dieser alberne Witz der brillanteste Gag aller Zeiten gewesen.
    »Du, ich hab's wahnsinnig eilig«, sagte Mia schließlich.
    »Ich auch. Hast du meine Telefonnummer noch?«
    »Ich weiß nicht. Glaube schon, ja.«
    »Dann ruf doch mal an.«
    Er drehte sich um und verschwand in der Menge.
    Ruf doch mal an. Warum wollte er nicht anrufen? Seit wann telefonierten Frauen den Männern hinterher?
     
    Sie rief ihn trotzdem zwei Tage später an. Er freute sich.
    »Wollen wir mal zusammen essen gehen?«, fragte er.
    »Das hast du mich schon mal gefragt.«
    »Stimmt. Diesmal machen wir es aber, ja?«
    »Ja.«
    Sie trafen sich bei einem Italiener auf St. Pauli. Frank trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Wer zuletzt lacht, hat es einfach nicht früher begriffen.«
    »Du trägst gerne Shirts mit solchen Sprüchen, oder?«, stellte Mia fest. Sie fand das ziemlich kindisch. Frank hatte sich überhaupt keine Mühe bei der Wahl seiner Kleidung gemacht. Er trug dieses alberne Shirt und dazu eine alte, abgewetzte Jeans. Mia hingegen hatte sich dreimal umgezogen, bevor sie sich für eine schwarze Bluse mit bunter Stickerei auf der Brust und einen sehr kurzen, roten Stretchrock entschied.
    Obwohl sie einen neckenden Tonfall angeschlagen hatte, sah Frank bestürzt aus. »Ist das schlimm? Blamiere ich mich grade total?«
    »Ein bisschen, ja.«
    Er wurde tatsächlich rot. »Ich glaube, es wird höchste Zeit, dass ich eine Frau finde«, murmelte er und stocherte mit gesenktem Kopf in seiner Pizza herum. Verlegen schielte er zu Mia hinüber. Sie fing seinen Blick auf, und plötzlich machte ihr Herz einen Hüpfer, und die Welt drehte sich nur noch für sie.
    Nach dem Essen gingen sie in eine Bar um die Ecke. Sie saßen dicht nebeneinander auf Barhockern am Tresen und ihre Knie berührten sich. Es war zu laut, um sich richtig zu unterhalten, also tranken sie schweigend ihre Cocktails und beobachteten das Treiben um sie herum. Als Frank sich vorbeugte, um sie etwas zu fragen, kam Mia ihm so weit entgegen, dass sich ihre Wangen berührten.
    »Willst du noch was trinken oder lieber gehen?« Franks Lippen waren dicht an ihrem Ohr.
    »Gehen«, sagte Mia, rührte sich aber nicht vom Fleck. Frank roch gut und er fühlte sich gut an. Er fuhr ihr leicht mit der Hand über die Wange und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. In seinen Augen lag eine unbeschreibliche Zärtlichkeit.
    Auf der Straße fasste er ihre Hand und ließ sie nicht mehr los, bis sie in seiner Wohnung im Schanzenviertel ankamen. Im Treppenhaus kicherten sie ausgelassen bei der Vorstellung,
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