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EB1021____Creepers - David Morell

EB1021____Creepers - David Morell

Titel: EB1021____Creepers - David Morell
Autoren: David Morrell
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Erlaubnis der Eigentümer einholen, alle denk‐
    baren Sicherheitsvorkehrungen beachten und niemals etwas
    Gesetzwidriges tun sollten. Diese Warnungen klingen höchst
    verantwortungsbewusst, ich habe aber den Eindruck, dass das
    Risiko und der Reiz des Verbotenen für viele »urban explo‐
    rers« ein wichtiger Teil ihres Hobbys sind. Es ist kaum ein Zu‐
    fall, dass der Slangausdruck für das Betreten eines verlassenen
    Gebäudes aus der militärischen Terminologie stammt; es ist
    der Begriff für das geheime Eindringen in feindliches Territo‐
    rium, »Infiltration«. Wie die Website www.infiltration.org es
    ausdrückt, sind das Ziel »Orte, an denen man nicht erwünscht
    ist«. »Creepers« sind meist zwischen achtzehn und dreißig
    Jahre alt, intelligent und gebildet, an Geschichte und Architek‐
    tur interessiert, und oft arbeiten sie in Berufen, in denen sie
    mit Computertechnologie zu tun haben. Ihr Hobby ist welt‐
    weit verbreitet; es gibt Gruppen in Japan, Singapur, Deutsch‐
    land, Polen, Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Hol‐
    land, England, Kanada, den Vereinigten Staaten und noch in
    mehreren anderen Ländern. Die australischen Gruppen sind
    vor allem von dem Netz aus Entwässerungskanälen unter den
    Städten Sydney und Melbourne fasziniert. Europäische Grup‐
    pen ziehen oft verlassene militärische Anlagen aus den Welt‐
    kriegen vor. US‐amerikanische Gruppen zieht es in alte Kauf‐
    häuser und Hotels, die aufgegeben wurden, als der soziale
    Niedergang die Menschen aus Städten wie Buffalo und Detroit
    in die Vororte trieb. In Russland sind die »Creepers« besessen
    von dem ursprünglich geheimen, vielstöckigen Moskauer U‐
    Bahn‐Netz aus der Zeit des Kalten Krieges, das zu dem Zweck
    angelegt wurde, im Fall eines Nuklearangriffs die Bürokraten
    evakuieren zu können. Aufgelassene Krankenhäuser, psy‐
    chiatrische Kliniken, Theater und Sportstadien – jedes Land
    hat seinen Forschern attraktive Stätten zu bieten. Einer der
    ersten »urban explorers« war ein Franzose, der im Jahr 1793
    bei einer Expedition in die Pariser Katakomben verschwand.
    Es dauerte elf Jahre, bis seine Leiche gefunden wurde. Wie
    einer der Protagonisten von Creepers anmerkt, war auch der
    Dichter Walt Whitman ein früher »urban explorer«. Der Autor
    von Grashalme arbeitete als Reporter für den Brooklyn Standard
    und schrieb für die Zeitung über den Atlantic‐Avenue‐Tunnel.
    Der 1844 errichtete Bau galt als der erste U‐Bahn‐Tunnel der
    Welt, wurde aber schon siebzehn Jahre später wieder aufgege‐
    ben. Bevor er versiegelt wurde, wanderte Whitman hindurch.
    »Dunkel wie das Grab, kalt, feucht und still«, schrieb er. »Wie
    schön doch Himmel und Erde erscheinen, wenn man wieder
    aus der Finsternis hervortritt! Es wäre vielleicht von Vorteil,
    uns Sterbliche oder doch die Unzufriedenen unter uns, und
    das sind nicht wenige, von Zeit zu Zeit in einen Tunnel von
    mehreren Tagereisen Länge zu schicken. Vielleicht würden
    wir danach weniger zu murren haben über Gottes Hand‐
    werkskunst.«
    Aber was der wirkliche Reiz der »urban exploration« ist,
    hatte Whitman nicht verstanden. Er sah den Tunnel in einem
    negativen Licht. Für einen wirklichen Liebhaber ist gerade die
    kalte, feuchte, lautlose Dunkelheit eines Tunnels, eines verlas‐
    senen Wohnblocks oder einer aufgelassenen Fabrik das, was
    den Reiz ausmacht. Die unheimliche Anziehungskraft einer
    geisterhaften Vergangenheit: Ich nehme an, das war es, was
    ein anderer Entdecker empfand, als er 1980 denselben Atlan‐
    tic‐Avenue‐Tunnel erforschte, 119 Jahre, nachdem er versperrt
    und vergessen worden war. Ein Großereignis der modernen
    »urban exploration« fand vor kurzer Zeit in den Pariser Kata‐
    komben statt. Die Katakomben sind Teil eines über 250 Kilo‐
    meter langen Tunnelsystems unter Paris, Ergebnis der Stein‐
    brucharbeiten, die viele Jahrhunderte lang das Baumaterial für
    die Stadt lieferten. Im 18. Jahrhundert wurden einige der Tun‐
    nel dafür verwendet, Tausende von Leichen aufzunehmen,
    weil den Pariser Friedhöfen der Platz ausgegangen war.
    Im September des Jahres 2004 entdeckte ein Team französi‐
    scher Polizisten bei einer Übung ein vollständig eingerichtetes
    Kino zwischen den Knochen. Die Sitzplätze waren in den Fels
    gehauen worden. Eine kleine Nebenhöhle diente als Bar und
    Restaurant; es gab Reihen von Whiskyflaschen ebenso wie ein
    professionelles Stromversorgungs‐ und
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