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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter
Autoren: C Funke
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heute nicht gelernt.
    »Sie waren da, ich schwör’s! Was kann ich dafür, dass keiner sonst sie sieht? Sie hätten mich fast umgebracht!«
    Bleierne Stille breitete sich aus, und einige der Jüngeren wichenvor mir zurück, als hätten sie Angst, mein Wahnsinn könnte ansteckend sein.
    »Sehr beeindruckend!«, sagte Bonapart, während seine kurzen Finger sich fest um meine Schulter schlossen. »Ich hoffe, du beweist in deinem nächsten Geschichtsaufsatz ebenso viel Erfindungsreichtum.«
    Bonapart ließ meine Schulter erst los, als er mich bei den Popplewells abgeliefert hatte. Zum Glück erwähnte er ihnen gegenüber mit keinem Wort, was geschehen war, aber Angus und Stu waren für den Rest des Abends sehr schweigsam. Sie waren inzwischen bestimmt sicher, dass sie das Zimmer mit einem Verrückten teilten, und fragten sich, was geschehen würde, wenn ich erst vollends den Verstand verlor.

4
    Ella

    A ngus und Stu schliefen trotz der Ereignisse auch in dieser Nacht tief und fest, aber ich machte natürlich kein Auge zu. In meiner Verzweiflung dachte ich sogar darüber nach, meine Mutter anzurufen. Aber was sollte ich ihr sagen? Mam, vergiss Spanien. Vier Geister jagen mich, und ihr Anführer hat mich Hartgill genannt und gedroht, mich zu töten? Nein. Ganz abgesehen davon, dass sie das Ganze nur dem Vollbart erzählen würde, und es ganz bestimmt keinen einzigen Zahnarzt auf diesem Planeten gab, der an Geister glaubte. Er würde sie bloß davon überzeugen, dass dies ein weiterer Versuch von mir war, ihr das Leben schwer zu machen.
    Finde dich damit ab, Jon Whitcroft, sagte ich mir. Es sieht ganz so aus, als würdest du nicht mal deinen zwölften Geburtstag erleben! Und während draußen schon die Sonne aufging, grübelte ich darüber nach, ob ich mich, wenn sie mich umbrachten, auch ineinen Geist verwandeln und für den Rest meines Lebens in Salisbury spuken und Bonapart und die Popplewells erschrecken würde. Leider nicht auszuschließen, Jon, sagte ich mir, aber für eins wirst du vorher sorgen: dass du morgen nicht das Gespött der ganzen Schule bist! Nicht, dass das für jemanden, der vielleicht bald tot sein würde, wirklich wichtig gewesen wäre, aber ich bin auch nicht sonderlich gut darin, mich auslachen zu lassen.
    Am nächsten Morgen erzählte ich Angus und Stu, dass ich mit der ganzen Geistergeschichte nur versucht hatte, Bonapart zum Narren zu halten. Die beiden blickten sehr erleichtert drein (wer teilt schon gern das Zimmer mit einem Verrückten?) und bei Stu verwandelte sich die Besorgnis auf der Stelle in Bewunderung. Er verbreitete meine neue Version der Ereignisse beim Frühstück – mit so großem Erfolg, dass zwei Viertklässler, als Bonapart ihnen die Angriffsstrategie von Richard Löwenherz vor Jerusalem erklärte, in schrille Schreckensschreie ausbrachen und behaupteten, seinen königlichen Geist blutbesudelt vor der Tafel stehen zu sehen. Sie leisteten mir dafür in der Bibliothek Gesellschaft bei ein paar Strafaufgaben, aber ich galt nicht länger als verrückt, sondern war ein Held.
    Wenn ich mich bloß wie einer gefühlt hätte. Stattdessen erstickte ich fast an meiner Angst. Während die anderen sich zum Mittagessen die Mägen mit Kartoffelmus und Hackbraten füllten, starrte ich aus dem Fenster des Speisesaals und grübelte darüber nach, ob dieser graue Septembertag vielleicht mein letzter sein würde.
    Ich würgte gerade einen Bissen Hackbraten herunter, weil ich mir sagte, dass ich halb verhungert weniger schnell davonlaufenkonnte, als sich ein Mädchen auf den leeren Stuhl mir gegenüber setzte.
    Das Hackfleisch blieb mir fast im Hals stecken.
    So etwas passierte einfach nicht. Mädchen meines Alters hielten sich gewöhnlich von Jungen fern. Selbst die jüngeren demonstrierten ständig, für wie unerträglich kindisch sie uns hielten.
    Sie war keine von den Internatsschülerinnen, aber ich hatte sie schon ein paarmal auf dem Schulgelände gesehen. Das Auffallendste an ihr war das lange dunkle Haar. Es wehte ihr wie ein Schleier nach, wenn sie über den Hof lief.
    »Es waren also vier?«, fragte sie so beiläufig, als ob sie über das Essen auf meinem Teller redete (über das es wirklich nicht viel zu sagen gab).
    Dabei musterte sie mich, als messe sie nicht nur mein Äußeres, sondern auch mein Inneres aus. Nur Ella sieht einen auf die Art an. Natürlich wusste ich damals noch nicht ihren Namen. Sie hatte sich nicht vorgestellt. Ella macht nie überflüssige Worte.
    Ich war damals
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