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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray
Autoren: Katie Kacvinsky
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es mir gelungen, das zu vergessen? Im Gegensatz zu mir bindet er sich an Menschen. Genau deshalb lässt er kaum jemanden an sich heran.
    »Liebst du mich?«, fragt er.
    »Ja, und das wird sich auch nie ändern«, sage ich ohne zu zögern. Aber Gray weiß, dass ich alles und jeden liebe, also ist meine Antwort kein großer Trost.
    »Hör damit auf«, bestimmt er.
    »Wie soll ich das machen? Der Abstand ändert nichts an meinen Gefühlen. Ich werde dich immer lieben.«
    »Okay, dann gib zu, dass du mich wiedersehen willst.«
    Ich sage, dass man ein Happy End nicht erzwingen kann. Wenn wir wirklich füreinander bestimmt sind, wird es irgendwann ganz von selbst passieren. Daran müssen wir einfach glauben. Ich schließe die Augen und kann nur hoffen, dass er mich nicht für verrückt hält.
    »Du bist verrückt!«, schreit er. »Wie soll das denn funktionieren?«
    Ich sage, wir müssen darauf vertrauen, dass uns das Schicksal wieder zusammenführt, wenn das Timing stimmt. Seelenverwandte treffen sich immer mehrmals.
    »Na toll, und was machen wir in der Zwischenzeit?«, fragt er.
    »Wir lassen einander los«, sage ich, »und leben unser Leben.«
    Gray brüllt mich an, dass man Menschen, die man liebt, nicht einfach aufgibt. Vielleicht müsste ich erst jemanden verlieren, um das zu begreifen. »Du lebst in einer Traumwelt«, sagt er. »Ruf mich an, wenn du bereit bist, aufzuwachen.«
    Er legt auf und ich halte den Hörer in der schlaffen Hand. Kraftlos sacke ich im Stuhl zusammen. In meiner Brust ist eine kalte Leere und ich fühle mich völlig zerschlagen.
    Gray
    Ich brauche dringend etwas, das ich zerschlagen kann.
    Also stürme ich in mein Zimmer und bin kurz davor, den Rahmen mit dem bescheuerten Gedicht von der Wand zu reißen und über die Balkonbrüstung zu werfen. Dann fällt mir stattdessen der Zettel mit Dylans Kontaktdaten ins Auge. Ich knülle ihn zusammen, ohne noch einmal hinzuschauen, denn ich traue meinem Gehirn zu, sich aus reiner Verzweiflung die Nummern und die Adresse zu merken. Dabei will ich am liebsten vergessen, dass es Dylan überhaupt gibt. Ich zerreiße den Zettel, marschiere zu dem winzigen Bad, das an mein Zimmer grenzt, und spüle die Fetzen hinunter. Dann werfe ich den Klodeckel zu und lasse mich darauf fallen, weil meine Beine zu zittrig sind, um mich zu tragen.
    Was zur Hölle denkt sie sich eigentlich? Welcher normale Mensch glaubt an die Magie des Schicksals, die Liebende wieder zusammenführt? Sie stellt sich das Leben wirklich wie einen Roman vor. Ist ihr nicht klar, dass man sich für sein Glück anstrengen muss? Liebe fällt einem nicht in den Schoß wie in einem beschissenen Märchen. Man muss daran arbeiten. Aber falls Dylan irgendwann genug Verstand entwickelt, um das zu kapieren, wird es zu spät sein. Dann bin ich nämlich nicht mehr da.
    Ich reiße mir die Baseballmütze vom Kopf, schmeiße sie auf den Boden, wühle durch meine Haare und trete gegen die Wand. Ich bin stinksauer über jede sinnlose Stunde, die ich Dylan nachgetrauert habe. Wie viel Energie habe ich darauf verschwendet, sie zu vermissen? Und besonders ärgert mich der Gedanke, dass ich mir die ganze Zeit eingebildet habe, ihr würde es ähnlich gehen … dass ihr die Trennung genauso schwerfällt wie mir. Ich höre jemanden an meine Zimmertür hämmern und weiß genau, wer dort steht.
    Also bringe ich mich unter Kontrolle und öffne die Tür für eine schmollende, wütende Amber mit unverändert liebeskrankem Blick. Sie hat immer noch den roten Becher in der Hand und wartet offensichtlich darauf, hereingebeten zu werden. Ich trete zur Seite und sie schlängelt sich möglichst eng an mir vorbei, sodass ihr Busen sich an meinem Arm reibt und ihre Hüfte mein Bein streift. Dann stellt sie den Becher auf meinem Nachttisch ab, dreht sich um und starrt mich an. Ich schließe die Tür, die hinter mir hörbar zuklickt. Mein Atem geht schnell und unregelmäßig und ich versuche mich zu beherrschen. Amber fixiert mich im Dämmerlicht des Raums, der nur von einer Straßenlaterne erhellt wird.
    »Du bist echt ein Arschloch«, sagt sie, aber es klingt merkwürdig flirtend.
    Ich frage, warum.
    »Weil du es toll findest, wenn ich dir nachrenne«, sagt sie. »Dabei weiß ich genau, dass du mich willst.« Ich kann sie nur anstarren. Das wird mir jetzt echt zu viel. Gleich bekomme ich Schreikrämpfe. Ich gehe auf sie zu, aber bevor ich etwas tun oder sagen kann, greift sie nach mir. Sie zieht mein Gesicht zu sich heran, sodass
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