Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
so schnell wie möglich zu dieser Unfallstelle zu kommen. Ich hatte auf dem I-40 gewendet, war nach Süden in Richtung Waynesville und dann westlich durch Bryson City gefahren, einem kleinen Ort in North Carolina, fast dreihundert Kilometer westlich von Charlotte, über achtzig Kilometer östlich von Tennessee und achtzig nördlich von Georgia. Dann war ich einer geteerten Bezirksstraße bis zu dem Punkt gefolgt, wo die staatliche Zuständigkeit endete, und schließlich über Kies bis zu einem Waldweg des Forest Service gefahren, der sich den Berg hochschlängelte.
    Ab hier ging ich zu Fuß. Obwohl die Anweisungen, die man mir gegeben hatte, präzise gewesen waren, vermutete ich, dass es eine bessere Route gab, einen kleinen Wirtschaftsweg vielleicht, der einen näher an das angrenzende Tal heranbrachte. Ich überlegte, ob ich zum Auto zurückkehren sollte, beschloss dann aber weiterzugehen. Vielleicht waren diejenigen, die jetzt schon an der Unfallstelle waren, auch zu Fuß durch den Wald marschiert, wie ich es jetzt tat. Der Weg des Forest Service hatte ausgesehen, als würde er nur bis zu der Stelle führen, wo ich mein Auto abgestellt hatte.
    Nach mühevoller Kletterei die Schluchtflanke hoch klammerte ich mich an den Stamm einer Douglas-Tanne, stellte einen Fuß auf den Rand und stemmte mich auf den Kamm. Als ich mich aufrichtete, starrte ich in die Knopfaugen einer Raggedy Ann. Die Puppe hing kopfüber, ihr Kleid hatte sich in den unteren Zweigen der Tanne verfangen.
    Das Bild der Raggedy Ann meiner Tochter blitzte vor mir auf, und ich streckte die Hand nach der Puppe aus.
    Halt!
    Ich ließ den Arm sinken, denn ich wusste, dass jeder Gegenstand vor der Entfernung kartografiert und registriert werden musste. Erst dann konnte jemand dieses traurige Souvenir einfordern.
    Von meiner Position auf dem Bergkamm hatte ich einen klaren Blick auf das, was vermutlich die Hauptabsturzstelle war. Ich sah eine halb in Erdreich und Trümmern vergrabene Turbine und kleinere Teile, die wahrscheinlich Fragmente von Landeklappen waren. Ein Teil des Rumpfs lag mit aufgeplatzter Unterseite da, sodass es fast aussah wie eine Schnittskizze in einem Handbuch für Modellflugzeuge. Durch die Fenster konnte ich Sitze erkennen, einige besetzt, die meisten leer.
    Trümmer und Leichenteile bedeckten die Landschaft wie achtlos weggeworfener Müll. Von meinem Standpunkt aus hoben sich die mit Haut bedeckten Körperteile grellbleich von dem Hintergrund aus Waldboden, Eingeweiden und Flugzeugteilen ab. Gegenstände hingen in den Bäumen oder lagen verdreht und verbogen auf Zweigen und Laubwerk. Gewebe. Drähte. Blechteile. Isolierung. Spritzgussplastik.
    Die örtlichen Behörden waren bereits zur Stelle, sicherten die Unfallstelle und suchten nach Überlebenden. Ich sah Gestalten, die mit gesenkten Köpfen zwischen den Bäumen umhergingen, und andere, die am äußeren Rand des Schrottfelds Absperrbänder spannten. Sie trugen gelbe Jacken mit der Aufschrift Swain County Sheriff’s Department auf dem Rücken. Wieder andere wanderten einfach herum oder standen in Gruppen beisammen und rauchten, redeten oder starrten ins Leere.
    Auf der mir entgegengesetzten Seite sah ich rote, blaue und gelbe Lichter durch die Bäume blitzen. Dort also musste der Zufahrtsweg sein, den ich nicht gefunden hatte. Ich stellte mir vor, wie schon morgen früh diese Straße verstopft sein würde von Polizeiwagen, Feuerwehrautos, Bergungslastern und den Fahrzeugen von freiwilligen Helfern.
    Der Wind drehte sich, und der Rauchgeruch wurde stärker. Ich drehte mich um und sah eine dünne schwarze Rauchsäule hinter dem nächsten Kamm aufsteigen. Mein Magen zog sich zusammen, denn ich war nahe genug am Geschehen, um einen anderen Geruch zu bemerken, der sich unter den scharfen, beißenden Rauchgestank mischte.
    Als forensische Anthropologin ist es meine Aufgabe, gewaltsame Todesfälle zu untersuchen. Im Auftrag von coroners und medical examiners, so genannten MEs, den obersten beamteten Leichenbeschauern der diversen Countys, habe ich hunderte von Brandopfern untersucht, ich kenne also den Geruch von verkohltem Fleisch. In der Nachbarschlucht brannten Menschen.
    Ich schluckte und konzentrierte mich wieder auf die Bergungsarbeiten. Einige, die bis jetzt tatenlos herumgestanden hatten, bewegten sich nun über das Gelände. Ich sah einen Deputy des Sheriffs, der sich bückte und den Schrott zu seinen Füßen untersuchte. Er richtete sich wieder auf, und in seiner linken Hand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher