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Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen
Autoren: Thomas Knip
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überrascht auf. Der Löwe hielt in der Bewegung inne. Sein Kopf zuckte zurück. Voller Unmut grollte er unterdrückt auf.
    Als Talon seine Augen öffnete, schwebte Shions Kopf scheinbar erstarrt über ihm. Neue Kräfte durchdrangen seine Hände und erfüllten ihn mit frischer Energie. Er wusste, dass der Löwe nur einmal kurz zuzustoßen brauchte, um den Kampf für sich zu entscheiden. Doch der Schatten schien mitten in der Bewegung zu verharren. Talon war nicht bereit, diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. Sein linker Unterarm rammte gegen Shions Schnauze und drückte den massigen Kopf zurück, während sich die rechte Hand tief in die Schlieren der Mähne schob und den breiten Hals umfasste.
    Shion erwachte aus seiner Starre und setzte sich erbittert zur Wehr. Als habe ihn die Berührung des Mannes aus einem Traum erweckt, stieß er seine linke Pranke unvermittelt vor. Nur knapp hieb sie neben Talons Kopf in den Boden und schlug mehrere Splitter aus dem Stein. Der Schatten setzte die ganze Wucht seiner Masse ein und drückte den am Boden Liegenden nach unten.
    Talon musste seinen Griff um die Kehle des fremdartigen Wesens lösen und presste die rechte Hand gegen den mächtigen Unterkiefer des Mauls, das nun wild nach ihm schnappte. Wieder und wieder zogen die dunklen Pranken dünne Striemen über die helle Haut des Mannes.
    Alleine der Wille trieb Talon weiter. Seine Hände wuchteten den massigen Kopf immer weiter nach hinten. Das wütende Grollen des Löwen erfüllte die weite Halle und wurde von Tausenden Stimmen reflektiert.
    Es dauerte unendliche Augenblicke, bis Talon sein rechtes Bein anwinkeln konnte und sich langsam nach oben drückte. Sein Griff um Shion lockerte sich nicht, als er einen Moment in einer kauernden Stellung verweilte, um Atem zu schöpfen. Der Schatten wehrte sich unbändig in seiner Umklammerung und schien kein Mittel zu finden, sich gegen diesen Angriff durchzusetzen.
    Talon drückte den Löwen zur Seite und erhob sich langsam. Sein linkes Bein hieb in den Boden und verschaffte sich einen sicheren Stand. Ein kehliger Schrei drang aus seinem Mund. All die ganze neu erlangte Kraft in seinen Fasern konzentrierte sich in ihm. Er drückte den mächtigen Schatten herum, der wild um sich schlug.
    Blut aus einer klaffenden Wunde an der Stirn verschleierte Talons Sicht und ließ ihn kaum noch etwas erkennen. Er folgte nur noch seinem Instinkt. Seine Arme umschlossen Shions breiten Hals. Die rechte Hand umklammerte den linken Unterarm und drückte unerbittlich zu. Er wuchtete Shion mit diesem Hebel weiter nach oben und ließ das schwere Gewicht auf seiner linken Schulter ruhen, die unter dem Druck zu brechen drohte.
    Der Löwe verlor fast vollständig den Kontakt zum Boden. Seine Umrisse wurden schemenhafter. Sie flossen auseinander und nahmen einen durchscheinenden Glanz an. Nur der Oberkörper wirkte noch, als sei er massiv und mit Leben erfüllt. Die Hinterpfoten verschwammen im Dämmerlicht.
     
    Erschöpft hielt sich der Hüne auf den Beinen. Zahlreiche Menschen hatten sich in einem weiten Kreis um seinen Platz versammelt und sahen ungläubig, wie sich Energien in leuchtenden Schlieren aus den Händen des dunkelhäutigen Mannes lösten und gen Süden verschwanden.
    Polizisten hieben mit den Fäusten und den Kolben ihrer Waffen gegen die unsichtbare Barriere, die der einsame Mann um sich errichtet zu haben schien. Er nahm die hilflosen Versuche nicht zur Kenntnis.
    Schweißperlen glänzten auf seiner narbenbedeckten Stirn. Blut floss in einem dünnen Rinnsal aus seiner Nase und rann über sein Kinn.
    »Falle endlich, Shion. Falle!«, murmelte er heiser und bot all seine Kraft auf. »Gib mir zurück, was mir zusteht.«
     
    Und Talon erkannte seine Chance. Mehr und mehr verlor der Schemen des Löwen an Kraft. Talons Körper spannte sich durch und umschlang den schattenhaften Leib mit aller Kraft. Shions Kontakt mit der Erde ging endgültig verloren. Das Licht in seinen Augen verlor rasch an Glanz.
    Shion fühlte, dass er verlor.
    Ein gewaltiger Schrei löste sich aus dem Tiefen von Talons Kehle, als er den Löwen nach oben riss und zu Boden schleuderte. Der massige Körper prallte schwer auf den graugrünen Stein und blieb regungslos liegen.
    Unter den Menschen auf der Empore breitete sich schlagartig Unruhe aus. Alice war aufgesprungen und jubelte. Sie hatte ihre Hand fest in Janets Unterarm gedrückt. Ihre Teamleiterin hielt sich zitternd an der Mauer fest und schloss für einen
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